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ERINNERUNG

Bundestag 1990 – 1992

Der erste gesamtdeutsche Bundestag beschäftigte sich nach Herstellung der deutschen Einheit unter anderem mit der besonderen historischen Verantwortung der Deutschen hinsichtlich der Einwanderung sowjetischer Jüdinnen und Juden in die Bundesrepublik. Ein weiteres Thema mit großer symbolischer Bedeutung war die Frage des Sitzes der Bundesregierung und des Bundestags im vereinten Deutschland.

  • „Unsere Geschichte legt uns im Innern wie nach außen eine besondere Verantwortung auf: Sie fordert von uns, für Frieden und den Schutz der Menschenrechte einzutreten. Sie verlangt von uns, allezeit die Würde des Menschen zu achten und zu schützen.“

    Rita Süssmuth (Bundestagspräsidentin),
    Deutscher Bundestag, 11/228, 4.10.1990, S. 18016.
  • „Die Politik der Bundesregierung wird geprägt sein vom Bewußtsein für die deutsche Geschichte in allen ihren Teilen und der daraus folgenden Verantwortung. Nur wer seine Herkunft kennt und sich zu ihr bekennt, hat einen Kompaß für die Zukunft.“

    Helmut Kohl (Bundeskanzler),
    Deutscher Bundestag, 11/228, 4.10.1990, S. 18019.
Die Einwanderung sowjetischer Jüdinnen und Juden

Die Einwanderung sowjetischer Jüdinnen und Juden

Nicht nur Deutschland, sondern auch viele Staaten in Ostmittel- und in Osteuropa durchliefen Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre große Umbrüche. Auch die Sowjetunion war hier keine Ausnahme. In diesen unsicheren Jahren der Reformen des sowjetischen Imperiums kam es gehäuft zu antisemitischen Ausschreitungen, wodurch viele Jüdinnen und Juden die Notwendigkeit sahen, auszuwandern. Die in der DDR geführte Debatte um die Aufnahme jüdischer Auswanderinnen und Auswanderer wurde im Bundestag fortgesetzt.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN initiierten am 25. Oktober 1990 eine Aktuelle Stunde und erklärten, dass die Deutschen aufgrund der Shoah eine moralische Verpflichtung hätten, den sich in Not befindenden sowjetischen Jüdinnen und Juden beizustehen. Allen, die den Wunsch äußerten, in die Bundesrepublik einzuwandern, sollte dies auch erlaubt werden. An der Haltung der Bundesrepublik in dieser Frage werde sich zeigen, ob die von einigen Ländern im Vorfeld der deutschen Einheit geäußerten Ängste vor einem vereinigten Deutschland berechtigt gewesen seien oder nicht. Seit September 1990 habe es durch die Bundesregierung einen „faktischen Einreisestopp“ gegeben, diese Politik müsse durch den Bundestag korrigiert werden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN äußerten den Wunsch, dass der Bundestag als letzte Entschließung vor der ersten gesamtdeutschen Wahl am 2. Dezember 1990 eine Einladung an die sowjetischen Jüdinnen und Juden aussprechen sollte.

CDU/CSU, FDP, SPD und PDS beteuerten ebenfalls, dass die Deutschen aufgrund ihrer Geschichte eine besondere Verpflichtung hätten, in der aktuellen Situation zu helfen.

CDU/CSU, FDP und SPD erklärten jedoch auch, dass es kein ungeregeltes Verfahren nach dem Motto „Jeder, der kommen will, kann zu uns kommen“ geben dürfe. Man müsse auch die Aufnahmekapazitäten der Gemeinden im Blick behalten, denn es dürfe nicht zu der Situation kommen, dass durch Überlastungen nur noch unzureichende Unterkünfte für die Einwanderinnen und Einwanderer bereitstünden.

Laut CDU/CSU gebe es bereits wirksame gesetzliche Möglichkeiten zur Einwanderung, so etwa das Kontingentflüchtlingsgesetz. Es müsse jedoch zu engen Absprachen sowohl mit den Bundesländern als auch mit jüdischen Organisationen und selbstverständlich auch mit Israel kommen. Durch die Einwanderung könne, so die Ansicht von CDU/CSU, FDP und Bundesregierung, eine erstrebenswerte Wiederbelebung der jüdischen Gemeinden in Deutschland erreicht werden. Die Bundesregierung erklärte zudem, dass es bereits zu Absprachen mit den Bundesländern und jüdischen Organisationen gekommen sei und alle Seiten bemüht seien, eine geordnete Verfahrensweise zu finden. Bisher sei noch niemand abgewiesen worden. Zwar sei die Bundesrepublik kein Einwanderungsland, doch beim Zuzug von Jüdinnen und Juden aus Osteuropa habe man eine besondere Verantwortung.

Auch am 31. Oktober kam es aus Anlass eines Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu einer kurzen Debatte hinsichtlich der Einwanderung der Jüdinnen und Juden aus der Sowjetunion. Aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen Aktueller Stunde und der Beratung des Antrags wurden kaum neue Argumente diskutiert. Bald darauf wurde mit den Bundesländern ein Verfahren über das Kontingentflüchtlingsgesetz erarbeitet. Zwischen 1991 und 2005 konnten so etwa 230.000 Personen nach Deutschland einwandern. Am 1. Januar 2006 endete das Programm.

  • Dietrich Wetzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) äußert sich am 31.10.1990 im Bundestag zur Einwanderung sowjetischer Jüdinnen und Juden.
    Quelle: Deutscher Bundestag

  • Johannes Gerster (CDU/CSU) äußert sich am 31.10.1990 im Bundestag zur Einwanderung sowjetischer Jüdinnen und Juden.
    Quelle: Deutscher Bundestag

  • Wilfried Penner (SPD) äußert sich am 31.10.1990 im Bundestag zur Einwanderung sowjetischer Jüdinnen und Juden.
    Quelle: Deutscher Bundestag

  • Burkhard Hirsch (FDP) äußert sich am 31.10.1990 im Bundestag zur Einwanderung sowjetischer Jüdinnen und Juden.
    Quelle: Deutscher Bundestag

  • Ingrid Bittner (PDS) äußert sich am 31.10.1990 im Bundestag zur Einwanderung sowjetischer Jüdinnen und Juden.
    Quelle: Deutscher Bundestag

  • Horst Waffenschmidt (Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern) äußert sich am 31.10.1990 im Bundestag zur Einwanderung sowjetischer Jüdinnen und Juden.
    Quelle: Deutscher Bundestag

  • „Wenn die sowjetischen Juden trotz des Nationalsozialismus, trotz der Shoah die Kraft und die Versöhnungsbereitschaft haben, zurückzukommen, dann sind sie hochwillkommen. […] Wir GRÜNEN wünschen uns von diesem Bundestag als erste und letzte gemeinsame Entschließung vor den ersten gesamtdeutschen Wahlen eine Einladung an alle sowjetischen Juden. Wir bieten ihnen an, zu uns zu kommen. Wir wissen: Nichts ist wiedergutzumachen an den Opfern deutscher Geschichte. Aber wenn sowjetische Juden mit uns leben wollen, dann werden wir uns um mehr als bloß zu ertragende Nachbarschaft bemühen.

    Dietrich Wetzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN),
    Deutscher Bundestag, 11/231, 25.10.1990, S. 18360.
  • „Die Deutschen haben Schuld gegenüber dem jüdischen Volk auf sich geladen. Ich glaube, es ist das mindeste, daß wir jetzt, wenn es wieder Juden gibt, die den Wunsch haben, in das Land des Holocaust zurückzukommen oder zu kommen, nicht kleinlich herumrechnen, sondern die Probleme unbürokratisch und möglichst lautlos lösen.“

    Peter Glotz (SPD),
    Deutscher Bundestag, 11/231, 25.10.1990, S. 18361.
  • „Wir müssen bereit sein, einen angemessenen Teil der Zuwanderungswünsche zu erfüllen, den ich hier weder beziffern kann noch will. Wir gehen davon aus, daß die Bundesregierung die notwendigen Verhandlungen führt, und wir erwarten und empfehlen, daß sie sich dabei auch mit den Fraktionen des Hauses ins Benehmen setzt.“

    Burkhard Hirsch (FDP),
    Deutscher Bundestag, 11/231, 25.10.1990, S. 18362.
  • „Mit Rücksicht auf unsere Bundesländer können wir keine ‚unkontrollierten‘ Einreiseverfahren außerhalb der geltenden Gesetze zulassen. Ein geordnetes Einreiseverfahren muß gleiches Recht für alle schaffen. Ein Sonderrecht, ein zusätzlicher Einreisegrund, der ausschließlich an die Religionszugehörigkeit anknüpft, wäre sowohl unter rechtsstaatlichen wie unter Gleichheitsgesichtspunkten sehr problematisch und wird mit Sicherheit auch von den jüdischen Bürgern nicht erwartet und verlangt. Im Gegenteil, sie wollen keine Sonderrechte. Unser geltendes Recht bietet für die Einreise von Juden aus Osteuropa schon jetzt wirksame Möglichkeiten.“

    Johannes Gerster (CDU/CSU),
    Deutscher Bundestag, 11/231, 25.10.1990, S. 18362.
  • „Die deutsche Bundesregierung ist gefordert, die besondere Verpflichtung der Deutschen in dieser Frage sehr ernst zu nehmen und Auswege aus der Notlage, in die sowjetische Juden gekommen sind, zu suchen, als erstes und wichtigstes allen sowjetischen Juden, die es wünschen, den Daueraufenthalt in der BRD zu gewähren, die Einwanderung zu ermöglichen und sie in die deutsche Staatsangehörigkeit aufzunehmen, wenn sie letzteres wollen, allen eingewanderten Juden die Integration zu erleichtern, insbesondere sie finanziell und mit sozialem Wohnraum zu unterstützen.

    Ingrid Bittner (PDS),
    Deutscher Bundestag, 11/231, 25.10.1990, S. 18363.
  • „Die Bundesregierung wird sich davon leiten lassen, daß uns die besondere Verantwortung auferlegt ist, aber daß wir das Ganze in einem guten, sachgerechten Verfahren mit den Ländern durchführen müssen.“

    Horst Waffenschmidt (Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern),
    Deutscher Bundestag, 11/231, 25.10.1990, S. 18364.
  • „Ich halte es für ein ermutigendes Zeichen, daß inzwischen so viele Menschen in Deutschland bereit sind, verfolgten Juden eine Zuflucht zu bieten. Sie wollen mit ihnen in neuer guter Nachbarschaft leben. Diese Bereitschaft sollte von uns Politikern ausdrücklich unterstütz werden.“

    Dietrich Wetzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN),
    Deutscher Bundestag, 11/234, 31.10.1990, S. 18740.

Dokument

Bonn oder Berlin?

Bonn oder Berlin?

Der Einigungsvertrag bestimmte Berlin zur Hauptstadt des vereinigten Deutschlands. Über den Sitz von Parlament und Regierung nach Herstellung der deutschen Einheit musste jedoch noch im gesamtdeutschen Parlament entschieden werden. Die Frage stieß auch in der Bevölkerung auf breites Interesse. Eine Initiative der SPD, im Rahmen eines Volksentscheids die Bürgerinnen und Bürger des Landes in die Entscheidung mit einzubeziehen, scheiterte jedoch im Juni 1991 an der ablehnenden Haltung der beiden Koalitionsfraktionen.

Als es schließlich am 20. Juni 1991 zur Abstimmung des Bundestags über den Sitz der Regierung und des Parlaments kam, lagen fünf Anträge vor. 84 Abgeordnete der Bundestagsfraktionen der CDU/CSU, FDP und SPD sprachen sich im sogenannten „Bonn-Antrag“ dafür aus, dass der Sitz von Parlament und Regierung in Bonn bleiben solle. 173 Abgeordnete der CDU/CSU, FDP, SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN plädierten im sogenannten „Berlin-Antrag“ für Berlin als Sitz des Deutschen Bundestags und der Kernbereiche der Regierung. Bonn sollte Verwaltungszentrum bleiben, dort sollten Teilbereiche mit primär verwaltendem Charakter der Ministerien angesiedelt sein, sodass die meisten Arbeitsplätze in Bonn erhalten bleiben könnten. Der Bundespräsident sollte seinen ersten Sitz in Berlin haben, der Bundesrat jedoch sollte in Bonn bleiben.

Mehrere Abgeordnete der SPD forderten in einem Antrag, dass der Sitz des Bundestags und der Sitz der Bundesregierung nicht örtlich getrennt werden dürften. Genau das sah jedoch ein Antrag von mehreren CDU/CSU-Abgeordneten vor. Nach ihrer Vorstellung sollte der Sitz des Bundestags und der Amtssitz des Bundespräsidenten in Berlin, die Bundesregierung und die Ministerien sowie der Bundesrat aber in Bonn ansässig sein bzw. bleiben. Einzig die PDS/Linke Liste stellte als Gruppe geschlossen einen Antrag, der den Sitz von Parlament und Bundesregierung in Berlin forderte.

Bei der Abstimmung setzte sich sehr knapp der sogenannte „Berlin-Antrag“ mit 337 Ja-Stimmen gegen den „Bonn-Antrag“ mit 320 Ja-Stimmen durch. Die weiteren Anträge wurden abgelehnt. Die PDS/Linke Liste zog ihren Antrag zurück.

  • Bundeskanzler Helmut Kohl gibt seinen Stimmzettel zur Abstimmung Bonn-Berlin ab. Debatte am 20.6.1991.
    Quelle: Deutscher Bundestag, 2746842 / Presse-Service Steponaitis

  • Bundeskanzler Helmut Kohl im Gespräch mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, nach dessen Rede zur Frage: Berlin oder Bonn?

    Quelle: Deutscher Bundestag, 2746838 / Presse-Service Steponaitis

  • Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, bei seiner Rede in der 34. Plenarsitzung des 12. Deutschen Bundestages zum Umzug des Bundestages nach Berlin. Abstimmung Bonn-Berlin. Debatte am 20.6.1991.
    Quelle: Deutscher Bundestag, 2746833 / Presse-Service Steponaitis

  • Bundeskanzler Helmut Kohl im Gespräch mit Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher während der 34. Plenarsitzung des 12. Deutschen Bundestages zum Umzug des Bundestages nach Berlin. Abstimmung Bonn-Berlin. Debatte am 20.6.1991.
    Quelle: Deutscher Bundestag, 2746835 / Presse-Service Steponaitis

  • Bonn-Berlin-Debatte am 20.6.1991 im Plenarsaal Wasserwerk, Bonn. Abgeordnete nach Verkündung des Ergebnisses durch die Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth im Gespräch.
    Quelle: Deutscher Bundestag, 2112479 / Presse-Service Steponaitis

Junge Männer feiern mit Berlin-Fahnen

Spontane Feier als bekannt wurde, dass der Bundestag die Verlegung von Parlament und Regierungssitz nach Berlin beschlossen hat.

Auffallend an der Debatte war, dass sich im Abstimmungsverhalten kein Muster hinsichtlich der Fraktionszugehörigkeit ausmachen ließ. Lediglich die beiden Bundestagsgruppen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS/Linke Liste) plädierten klar mehrheitlich für den Berlin-Antrag, aber selbst hier gab es einzelne Abgeordnete, die sich für Bonn als Parlaments- und Regierungssitz aussprachen. Die meisten ostdeutschen Abgeordneten stimmten für Berlin, doch auch unter ihnen gab es andere Meinungen.

Die Berlinbefürworterinnen und -befürworter bedienten sich in der ganztägigen Debatte neben vielen anderen vor allem den folgenden Argumenten: Historisch gesehen sei Berlin immer die deutsche Hauptstadt gewesen und das sei auch durch den Parlaments- und Regierungssitz zu unterstreichen. Durch den Fall des „Eisernen Vorhangs“ rücke Berlin zudem ins Zentrum Europas und könne eine Brückenfunktion zwischen Ost und West einnehmen. Das eröffne neue außenpolitische Perspektiven. Durch die deutsche Einheit sei etwas Neues entstanden und dies müsse sich auch symbolisch durch den Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin manifestieren.

Die Bonnbefürworterinnen und -befürworter hingegen begründeten ihren Standpunkt hauptsächlich wie folgt: Sie befürchteten durch den Umzug von Parlament und Regierung eine zu starke Zentralisierung der Bundesrepublik. Außerdem kritisierten sie die hohen Kosten des Umzugs; das Geld sei sinnvoller in den Aufbau der neuen Bundesländer zu investieren. Gegen einen Umzug nach Berlin sprächen zudem die negativen wirtschaftlichen Folgen für die Großregion Bonn. Bonn als Sitz des Parlaments und der Regierung spräche für Kontinuität und Stabilität. Einige Abgeordnete votierten für Bonn, da sie die Meinung vertraten, dass Berlin aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit nicht wieder Parlaments- und Regierungssitz werden sollte.

Nachdem sich der Bundestag für Berlin ausgesprochen hatte, stimmte auch der Bundesrat am 5. Juli 1991 zu, Berlin zum Sitz von Parlament und Regierung zu machen. Der im „Berlin-Antrag“ vorgesehene Verbleib des Bundesrats in Bonn wurde jedoch später wieder revidiert. Sitz des Bundesrats ist heute Berlin.

Der Umzug der Regierung und des Parlaments nach Berlin wurde im Jahr 1999 vollzogen. Doch auch heute sind noch einige Bundeseinrichtungen und fünf Bundesministerien mit ihrem Hauptsitz in Bonn vertreten, das gilt etwa für das Bundesministerium der Verteidigung. Die genaue Aufteilung wurde 1994 im Berlin-Bonn-Gesetz erarbeitet.

  • „Die Abfindung mit sogenannten Repräsentativfunktionen — Berlin als Ort für besondere Anlässe — , das wäre denn [sic!] doch nicht nur eine Beleidigung für die Berliner, sondern auch eine Erniedrigung der Bürger im Osten Deutschlands. […] Wir halten den Parlamentssitz für das Herzstück einer wirklichen Hauptstadt. De[s]halb sollte der Bundestag seinen Sitz in Berlin nehmen. Erst dann ist Berlin wirklich die Hauptstadt Deutschlands.“

    Wolfgang Thierse (SPD),
    Deutscher Bundestag, 12/34, 20.6.1991, S. 2739.
  • „In diesen 40 Jahren […] stand das Grundgesetz, stand die alte Bundesrepublik Deutschland mit ihrer provisorischen Hauptstadt Bonn für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat. Aber sie stand damit immer für das ganze Deutschland. Und das Symbol für Einheit und Freiheit, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für das ganze Deutschland war wie keine andere Stadt immer Berlin: […] von der Luftbrücke über den 17. Juni 1953, den Mauerbau im August 1961 bis zum 9. November 1989 und bis zum 3. Oktober im vergangenen Jahr.“

    Wolfgang Schäuble (Bundesminister des Innern),
    Deutscher Bundestag, 12/34, 20.6.1991, S. 2747.
  • „Ich bin […] der Meinung, daß es ein Glücksfall sein könnte, daß wir eine Hauptstadt Berlin haben, die Deutschland als Ganzes repräsentiert und nicht eine leere Hülse ist. […] Es wäre sicherlich ein Glücksfall, meine ich, wenn wir eine funktionierende Stadt, wie es Bonn ist, mit einem Regierungs- und Parlamentssitz haben. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir in einem vereinten Europa auch über Brüssel sprechen, unsere europäische Hauptstadt. Es ist jetzt nicht die Stunde der Zentralisierung, sondern der Dezentralisierung. Es ist die Stunde der Aufgabenteilung.“

    Gerhart Rudolf Baum (FDP),
    Deutscher Bundestag, 12/34, 20.6.1991, S. 2747.
  • „Deutschland bleibt nicht der Osten vom Westen, sondern es wird zur neuen Mitte Europas. Berlin liegt da gut, auf beide Schienen bezogen: Nord-Süd und West-Ost. Deutschland braucht keine Hauptstadt eigens für Cocktailempfänge. […] Berlin, in schweren Jahren Vorposten der Freiheit, hat es auch nicht verdient, mit einem Ehrentitel ohne sachlichen Inhalt abgespeist zu werden.“

    Willy Brandt (SPD),
    Deutscher Bundestag, 12/34, 20.6.1991, S. 2750.
  • „Bonn ist für mich […] das Symbol des Neuanfangs, eines notwendigerweise unprätentiösen, manchmal armseligen Neuanfangs aus den Trümmern. Ich beschwöre Sie, […] daß wir uns gemeinsam zu dem bekennen, was uns doch wahrscheinlich allen wirklich gemeinsam ist, daß nämlich nach den Katastrophen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert ein Neuanfang notwendig war und daß Bonn das Symbol dieses Neuanfanges ist.“

    Peter Glotz (SPD),
    Deutscher Bundestag, 12/34, 20.6.1991, S. 2755.
  • „Bonn habe ich immer mit Respekt als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland betrachtet, jener Bundesrepublik, mit der ein demokratischer und freiheitlicher deutscher Staat geschaffen worden ist. Diese alte Bundesrepublik aber ist, nicht anders als die DDR, am 3. Oktober 1990 untergegangen. Deutschland, dessen Souverän uns gewählt hat, dieses Deutschland ist ein neues Land. Bonn gehört der alten Bundesrepublik; für uns aus dem Osten ist und bleibt es fremd.“

    Konrad Weiß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN),
    Deutscher Bundestag, 12/34, 20.6.1991, S. 2774.

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