timeline Bild
timeline Bild
timeline Bild
timeline Bild
Print Friendly, PDF & Email

VERFASSUNG

Zentraler Runder Tisch
1989 – 1990

Diskussionen um eine neue Verfassung fanden am Zentralen Runden Tisch bereits in der ersten konstituierenden Sitzung am 7. Dezember 1989 statt. Alle 16 Vertreterinnen und Vertreter der alten und neuen politischen Kräfte am Zentralen Runden Tisch waren sich einig, dass eine neue demokratische Verfassung nötig sei, um die gültige sozialistische Verfassung zu ersetzen.

Mann spricht am Zentralen Runden Tisch / Verfassungsdebatte am Zentralen Runden Tisch

Unter Leitung der Kirchen trat erstmals am 7. Dezember 1989 der Zentrale Runde Tisch im Ost-Berliner Dietrich-Bonhoeffer-Haus zusammen.

Während des 40-jährigen Bestehens der DDR gab es insgesamt drei gültige Verfassungen. Die ursprüngliche Verfassung stammte aus dem Gründungsjahr der DDR 1949. Die Verfassung von 1949 lehnte sich stark an die Weimarer Reichsverfassung an. Demnach war die DDR ein demokratischer, parlamentarischer und föderaler Rechtsstaat. Da diese Verfassung die tatsächlichen Machtverhältnisse jedoch von Anfang an nicht widerspiegelte, kam ihr nur geringe Bedeutung zu. Nach Festigung der Macht des SED-Regimes wurde die alte Verfassung 1968 durch eine neue, ausdrücklich sozialistisch ausgerichtete Verfassung ersetzt. 1974 wurde diese nochmals überarbeitet. Alle Hinweise auf eine „deutsche Nation“ oder eine mögliche Einheit Deutschlands wurden gestrichen. Die Verbundenheit mit der Sowjetunion wurde hingegen eigens betont.

Unter dem massiven Druck der Öffentlichkeit durch die Friedliche Revolution wurde die bestehende sozialistische Verfassung von 1974 nach Beschluss der letzten nicht freigewählten Volkskammer zum 1. Dezember 1989 geändert. Die Paragraphen, in denen der Führungsanspruch der SED formuliert war, wurden entfernt. Eine Stufenweise Anpassung der alten sozialistischen Verfassung genügte vor allem den Vertretern der neuen Kräfte am Zentralen Runden Tisch jedoch nicht. Alle 16 Vertreterinnen und Vertreter der alten und neuen politischen Kräfte am Zentralen Runden Tisch waren sich daher einig, dass eine neue demokratische Verfassung nötig sei und dass am Ende ein Volksentscheid über die Verfassung stattfinden sollte. Die für die Neuwahlen der Volkskammer erforderlichen Verfassungsänderungen sollten prioritär erarbeitet werden. Die Mitglieder des Runden Tisches hielten diese Punkte in einer verabschiedeten Resolution fest und initiierten damit den Verfassungsgebungsprozess im Dezember 1989.

Die Mitglieder des Zentralen Runden Tisches verabschiedeten in ihrer ersten Sitzung eine Resolution, in der die Erarbeitung eines Entwurfes einer neuen Verfassung festgehalten wurde.
Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Klaus Freymuth.

Dokumente

Die Initiative der Volkskammer unter der Regierung Modrow

Die Initiative der Volkskammer unter der Regierung Modrow

In der gleichen Sitzung diskutierten die Teilnehmer des Runden Tisches über ein Schreiben der „Zeitweiligen Kommission der Volkskammer zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der DDR“, in dem der Zentrale Runde Tisch zur Mitarbeit an einer neuen Verfassung eingeladen wurde. Die letzte nicht demokratisch legitimierte Volkskammer unter der Regierung Modrow hatte die Kommission bereits im November 1989 eingesetzt, mit dem Ziel die bisherige Verfassung zu ändern und eine neue Verfassung auszuarbeiten. Die Mitglieder des Runden Tisches diskutierten daraufhin, ob die Volkskammer unter der Regierung Modrow überhaupt berechtigt sei, einen Verfassungsentwurf zu erarbeiten und wägten ab, ob der Runde Tisch als nichtgewähltes Gremium hinlänglich legitimiert wäre, einen Verfassungsentwurf zu formulieren.

Ina Merkel (Unabhängiger Frauenverband – UFV) schlug als Kompromiss schließlich vor, „eine paritätische Kommission zur Ausarbeitung der Verfassung zu bilden“, die ausdrücklich „nicht an der Volkskammer“ institutionalisiert werden sollte. Der Zentrale Runde Tisch folgte diesem Vorschlag und setzte eine eigene Kommission, die Arbeitsgruppe „Neue Verfassung“, zur Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs ein – auch um eine Instrumentalisierung durch die Regierung Modrow zu verhindern. Demnach gab es schließlich zwei Gremien, die auf zentralstaatlicher Ebene mit der Erarbeitung einer neuen Verfassung beauftragt waren: eines bei der Volkskammer und eines am Zentralen Runden Tisch der DDR.

Zu einer engen Zusammenarbeit der beiden Gremien kam es jedoch nicht. Mit dem zunehmenden Autoritätsverlust der Volkskammer im Frühjahr 1990 u. a. durch die Bildung einer „Regierung der Nationalen Verantwortung“, in der auch alle relevanten oppositionellen Gruppierungen einbezogen wurden, schwand auch die Bedeutung der Volkskammerkommission. Als deutlich wurde, dass die ersten freien Wahlen der DDR von Mai auf März 1990 vorgezogen werden sollten, stellte die zeitweilige Volkskammerkommission am 4. März 1990 ihre Arbeit gänzlich ein. Die AG „Neue Verfassung“ des Runden Tisches sah sich dadurch als zentrale verfassungsgebende Einrichtung der DDR zunehmend in der Verantwortung.

Parlamentarier bei Sitzung im Palast der Republik. / Verfassungsdebatte am Zentralen Runden Tisch

Mitte November 1989 setzten die Mitglieder der Volkskammer die letzte nicht-demokratisch legitimierte Volksvertretung der DDR ein.

Die Arbeit der AG „Neue Verfassung“

Die Arbeit der AG
„Neue Verfassung“

In der zweiten Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 18. Dezember 1989 wurden Michael Koplanski (Demokratische Bauernpartei Deutschlands – DBD) als Vertreter der alten Kräfte und Gerd Poppe (Initiative Frieden und Menschenrechte – IfM) als Vertreter der neuen Kräfte als Einberufer der AG „Neue Verfassung“ bestätigt. Die AG konstituierte sich am darauffolgenden Tag in den Räumlichkeiten der Volkskammer und setzte Unterarbeitsgruppen zu den Komplexen „Menschenrechte“, „Wirtschaft/Eigentumsordnung“, „Politische Willensbildung“ und „Staatsorganisation“ ein. Neben den vier Untergruppen bildete sie auch eine Redaktionsgruppe, die den Text des Verfassungsentwurfes letztendlich fertigstellte.

Insgesamt waren ca. 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen am Zentralen Runden Tisch vertretenen Parteien und Gruppierungen an der AG beteiligt. Es arbeiteten zudem ca. 20 Expertinnen und Experten aus der DDR und der Bundesrepublik in der Arbeitsgruppe beratend mit. Während die Vertreterinnen und Vertreter der alten Macht auf den juristischen Sachverstand aus der DDR durch Expertinnen und Experten aus ihren eigenen Reihen zurückgriffen, erhielten die neuen Kräfte in der AG eine intensive Beratung aus Westdeutschland. So entstand beispielsweise im Lager der Bürgerbewegung ein enger Austausch mit den Grünen in Westdeutschland.

In den Sitzungen des Zentralen Runden Tisches konnte man sich nur marginal mit dem Verfassungsthema beschäftigen. Der Runde Tisch hat zwar den Verfassungsentwurf initiiert und diskutiert, inhaltlich beschlossen wurde der Entwurf vornehmlich von der AG „Neue Verfassung“.

Werner Schulz erinnert sich an die Arbeit der AG „Neue Verfassung“ und die inhaltlichen Überlegungen zur neuen Verfassung.
Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung 2022.

Die Debatte um eine neue Verfassung in der letzten Sitzung

Die Debatte um eine neue Verfassung in der letzten Sitzung

Ende des Jahres 1989 wollte die AG „Neue Verfassung“ zunächst auch aufgrund ihres eigenen Legitimationsdefizites nur „Grundsätze einer neuen Verfassung“ als Diskussionsgrundlage erarbeiten. Mit dem Vorziehen der Wahlen von Mai auf den März 1990 und den immer konkreter werdenden Vorstellungen, die Einheit in kurzer Zeit zu vollziehen, entschied sich die AG, nun doch eine komplett neue Verfassung zu entwerfen. Damit wollte die AG auch eigene inhaltliche Akzente im Demokratisierungsprozess der DDR setzen. Die AG „Neue Verfassung“ konnte diesen Verfassungsentwurf jedoch aufgrund der Kürze der Zeit nicht vor der letzten Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 12. März 1990 vollenden. Es wurden aber Teile des Verfassungsentwurfs in dieser Sitzung diskutiert.

Einberufer Gerd Poppe (Initiative Frieden und Menschenrechte – IFM) stellte den Bericht der AG „Neue Verfassung“ vor und forderte, die Arbeitsgruppe auch künftig mit der Fertigstellung der Verfassung zu betrauen – im April sollte dann das Papier der Bevölkerung zur Diskussion gestellt werden:

„Der Verfassungsentwurf fußt auf dem Willen, den fundamentalen Bedürfnissen des Volkes nach Rechtsstaatlichkeit, demokratischer Selbstbestimmung und sozialer Sicherheit Ausdruck zu verleihen. […] Da der vollständige Text auf Grund der Kürze der Zeit heute nicht vorliegen kann, sollte die Arbeitsgruppe nach unserer Auffassung den Auftrag erhalten, die Arbeiten umgehend zum Abschluss zu bringen.“

 

Gerd Poppe (IFM), Sprecher der AG „Neue Verfassung“, berichtete am 12. März 1990 über die Arbeit der AG „Neue Verfassung“ und stellte Teile des Verfassungsentwurfes vor.
Quelle: Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv.

Neben der Forderung die Arbeitsgruppe auch künftig mit der Fertigstellung der Verfassung zu betrauen formulierte die AG in einem Antrag auch Handlungsempfehlungen an die neu zu wählende Volkskammer. Da die Kompetenz zum Erlass einer Verfassung unmittelbar beim Volk läge, schlug die AG vor, einen Volksentscheid über die Verfassung am 17. Juni 1990 stattfinden zu lassen. Der Zentrale Runde Tisch nahm diese Vorschläge mehrheitlich an und beauftragte die AG „Neue Verfassung“, an einem Gesamtentwurf auch über das Ende des Runden Tisches hinaus weiterzuarbeiten und diesen im April der Öffentlichkeit zu präsentieren. Bei der Abstimmung dieser Vorlage gab es auch vier bedeutsame Gegenstimmen von SPD, Demokratischer Aufbruch (DA), CDU und Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD). Die vier Gruppierungen argumentierten, dass nach der Wahl die Verfassungsbefugnis an die Volkskammer gehen müsse.

Dokumente

Sitzung am Zentralen Runden Tisch.

Der Zentrale Runde Tisch diskutierte in seiner 16. und letzten Sitzung am 12. März 1990 auch Teile des neuen Verfassungsentwurfes.

Artikelstreit und Wahlkampf 1990

Artikelstreit und Wahlkampf 1990

An der Debatte um die neue Verfassung wird deutlich, dass es – je länger sich die Beratungen hinzogen – nicht nur um Verfassungsfragen ging, sondern auch um die Modalitäten der deutschen Einheit. Am Anfang hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Zentralen Runden Tisch und in der AG „Neue Verfassung“ in erster Linie das Ziel, die DDR demokratisch zu erneuern und umzugestalten. Es ging nicht um ihre Abschaffung, sondern vielmehr um eine Fortentwicklung der DDR auf eigenständiger Grundlage.

Erst als mit Beginn des Jahres 1990 die Wirtschaftslage immer prekärer wurde, es zur massenhaften Abwanderung von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern in die Bundesrepublik kam und immer mehr Menschen in der ostdeutschen Bevölkerung auf eine schnelle Einheit drängten, rückten die Bedingungen zur Vereinigung in den Vordergrund. Eine schnelle Einheit schien am einfachsten über den Beitritt nach Artikel 23 des Grundgesetzes der Bundesrepublik möglich zu sein.

Die AG „Neue Verfassung“ sprach sich gegen eine Einheit über den Grundgesetzartikel 23 aus, sondern diese sollte durch den Artikel 146 und somit auf Grundlage einer neuen gesamtdeutschen Verfassung vollzogen werden. Die AG formulierte es in ihrem Bericht folgendermaßen: „Mit diesem Entwurf einer neuen Verfassung tritt der Runde Tisch Bestrebungen entgegen, sich durch die Abgabe von Beitrittserklärungen einer anderen Verfassungsordnung, dem Grundgesetz der BRD, nach Artikel 23 zu unterwerfen.“

Durch eine neue Verfassung der DDR sollte zudem eine Basis geschaffen werden, um an den Verhandlungen im Einigungsprozess auf Augenhöhe mit der Bundesrepublik teilzunehmen: „Dabei handelt es sich um eine Verfassung für die DDR, mit deren Annahme wir eine gegenüber der durch das Grundgesetz für die Bundesrepublik gegebenen gleichrangige und damit gleichberechtigte Ordnung schaffen.“

  • Der sogenannte „Artikelstreit“ über die deutsche Einheit zeigte sich auch im Wahlkampf im März 1990.
    Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Bild-1990_2/Daniel Biskup.

  • Wahlplakate in Dahlwitz-Hoppegarten im Wahlkampf 1990.
    Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Bild 2374_004/Jürgen Nagel.

Dieser sogenannte „Artikelstreit“ zeigte sich auch im Wahlkampf im März 1990. Die „Allianz für Deutschland“, das Parteienbündnis aus Ost-CDU, Deutscher Sozialer Union (DSU) und Demokratischem Aufbruch (DA), trat im Wahlkampf für den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Artikel 23 ein. Im Bund Freier Demokraten (BFD) versammelten sich die liberalen Parteien der DDR. Auch sie setzten sich für eine rasche Vereinigung ein. Aus dem Zusammenschluss der Bürgerrechtsbewegungen „Neues Forum“, „Initiative Frieden und Menschenrechte“ sowie „Demokratie Jetzt“ entstand das „Bündnis 90“. Bündnis 90 und die ostdeutschen Grünen, die auch federführend in der AG „Neue Verfassung“ gewesen waren, stellten sich gegen den Artikel 23. Sie wollten zunächst eine Demokratisierung der DDR und eine deutsche Einheit nach Artikel 146 vollziehen. Auch die Ost-SPD verfolgte zunächst den Vereinigungsweg nach Artikel 146. Nach den Wahlen sollten aber die Verfassungsbefugnisse an die Volkskammer übergehen. Die PDS hingegen warb für die Bildung einer konföderativen Struktur, bei der die Eigenstaatlichkeit von Bundesrepublik und DDR gewahrt werden sollte.

Gewinner der Wahlen im März 1990 wurde, entgegen den allgemeinen Erwartungen, die „Allianz für Deutschland“ mit einem Stimmenanteil von 56,1 %. Als zweistärkste Kraft erhielt die SPD 21,9 %. Auf dem dritten Rang folgte die PDS mit 16,4 % Stimmenanteil. Die eigentlichen Initiatorinnen und Initiatoren der Friedlichen Revolution erzielten lediglich 2,9 % der abgegebenen Stimmen. Damit sprach sich die eindeutige Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für eine möglichst rasche Vereinigung der DDR mit der Bundesrepublik aus.

  • Die Stimmauszählung bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 fand wie überall auch im Wahllokal Berlin Karlshorst öffentlich statt.
    Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Bild 2375_011/Jürgen Nagel.

  • Am 18. März 1990 waren die Bürgerinnen und Bürger zum ersten Mal in der Geschichte der DDR zu einer demokratischen Wahl aufgerufen.
    Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Bild DDR Wahl Erste demokratische 00900318/Ann-Christine Jansson.

  • Der neu gewählte Ministerpräsident Lothar de Maizière umringt von Journalistinnen und Journalisten am 18. März 1990.
    Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Bild-DDR-WAHL-00900318/Ann-Christine Jansson.

Rainer Eppelmann resümiert, wieso er gegen eine neue Verfassung war und den Beitritt nach Artikel 23 als sinnvoller erachtete.
Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung 2022.

  • „Eine der großen Aufgaben einer neuen Verfassung wird es sein, die uns so lange vorenthaltenen Freiheitsrechte in besonderem Maße zu gewähren.“

    Gerhard Weigt (Demokratie Jetzt),
    Zentraler Runder Tisch, 12.3.1990, Thaysen, S. 1098.
Der Verfassungsentwurf des Zentralen Runden Tisches

Der Verfassungsentwurf des Zentralen Runden Tisches

Nach den Wahlen und dem Wahlerfolg der „Allianz für Deutschland“ stellte die AG „Neue Verfassung“ im April 1990, trotz der Pläne der Regierung de Maizière den Beitritt nach Artikel 23 umzusetzen, den fertigen Verfassungsentwurf der Öffentlichkeit vor. Das Deckblatt der „Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“ schmückte eine neue DDR-Fahne, in deren Mitte statt Hammer, Zirkel und Ährenkranz künftig das Emblem „Schwerter zu Pflugscharen“ zu sehen sein sollte. Die AG wollte den Verfassungsentwurf bereits in der konstituierenden Sitzung der neugewählten Volkskammer am 5. April 1990 ins Parlament einbringen.

Deckblatt des Verfassungsentwurfes für die DDR / Verfassungsdebatte am Zentralen Runden Tisch.

Das Deckblatt des Verfassungsentwurfes der AG „Neue Verfassung“ des Zentralen Runden Tisches.

Dokumente

Der Verfassungsentwurf des Runden Tisches knüpfte offensichtlich an das Grundgesetz der Bundesrepublik an, sollte aber gleichzeitig deutlich darüber hinausgehen. Neben der deutschen Verfassungstradition wurden in der AG „Neue Verfassung“ auch andere moderne europäische und außereuropäische Verfassungsdokumente wie die spanische und nicaraguanische Verfassung für die Erarbeitung des Verfassungsentwurfes hinzugezogen.

Der Katalog der Menschen- und Grundrechte wurde modernisiert. Die klassischen Freiheitsrechte wurden vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit einem autoritären Überwachungsstaat weiterentwickelt. Der Verfassungsentwurf sollte dadurch den Schutz und die Sicherheit des Einzelnen vor staatlicher Willkür, Verhaftung, Überwachung und Denunziation garantieren (z. B. Art. 8: Anspruch auf Schutz der Persönlichkeit und Privatsphäre). Die Rechte von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern sowie Minderheiten wurden erweitert. Der „Schutz der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage gegenwärtiger und künftiger Generationen“ wurde als Pflicht des Staates festgeschrieben.

Darüber hinaus konkretisierte der Verfassungsentwurf des Runden Tisches das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes, indem er soziale Grundrechte, u. a. das Recht auf Arbeit, das Recht auf Wohnen und das Recht auf soziale Sicherheit in die Verfassung aufnahm. Diese können zwar nicht als Garantien verstanden werden, sind aber verpflichtend festgeschrieben und einklagbar. Die politische Mitgestaltung aller Bürgerinnen und Bürger, wie sie erst die Friedliche Revolution vom Herbst 1989 ermöglicht hatte, sollte zudem institutionalisiert werden, indem Elemente der direkten Demokratie wie Volksbegehren und Volksentscheide die repräsentative Demokratie ergänzen sollten.

  • Gerhard Weigt (Demokratie Jetzt) erläuterte am 12. März 1990 am Zentralen Runden Tisch, die Grundlagen des Verfassungsentwurfes, der den Mitgliedern vorgelegt wurde.
    Quelle: Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv.

  • Gerd Poppe (damals IFM), Einberufer der AG „Verfassung“, erinnert sich an die inhaltlichen Überlegungen zum Verfassungsentwurf.
    Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung 2022.

Weitere Debatten zum Thema „Verfassung“

  • Wandrelief des Artikel 1 Grundgesetz

    VERFASSUNG | Debatte im Bundestag 1989 – 1990

      weiterlesen
    • Demonstration vor der Volkskammer.

      VERFASSUNG | Debatte am Zentralen Runden Tisch 1989 – 1990

        weiterlesen
      • Protestbanner in Volkskammer.

        VERFASSUNG | Debatte in der Volkskammer 1990

          weiterlesen
        • Abgeordnete in Verfassungskommission

          VERFASSUNG | Debatte im Bundestag 1990 – 1992

            weiterlesen