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VERMÖGEN

Volkskammer 1990

Die freigewählte Volkskammer debattierte bis zur Herstellung der deutschen Einheit über die Arbeit der Treuhandanstalt, die Frage der offenen Vermögenswerte sowie den Umgang mit den Vermögen der SED und der Blockparteien.

Die Treuhandanstalt

Die Treuhandanstalt

Unter der Regierung Modrow gab es bereits im November 1989 Diskussionen um eine Wirtschaftsreform. Auch in Westdeutschland entwickelte das Bundesfinanzministerium Ende Januar mit der Aussicht auf eine „Währungsunion“ ein eigenes Konzept, das die D-Mark zum offiziellen Zahlungsmittel der Ostdeutschen machen sollte. Vorrausetzung für die Währungsunion sollte eine umfassende Wirtschaftsreform sein, die eine vollständige Übernahme des westdeutschen Wirtschaftsmodells, der sozialen Marktwirtschaft, bedeute. 

In Reaktion auf die Idee einer Währungsunion schlug Wolfgang Ullmann von Demokratie Jetzt (DJ) am Zentralen Runden Tisch vor, eine „Treuhandstelle“ zu errichten, um die „Rechte der DDR-Bevölkerung am Gesamtbesitz des Landes“ zu sichern. Das Volkseigentum sollte durch die Treuhandstelle in „Rechts- und Eigentumsformen der Bundesrepublik“ übertragen werden. Danach sollten die Bürgerinnen und Bürger Anteile erhalten. So sollte verhindert werden, dass sich im Einigungsprozess alte SED-Funktionäre oder westliche Spekulanten das DDR-Vermögen widerrechtlich aneignen. Am 1. März 1990 beschloss der Ministerrat der DDR unter Hans Modrow schließlich die Gründung einer „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“. Diese sollte zwar die Umwandlung des Volkseigentums umsetzen, eine sofortige Ausgabe von Anteilsscheinen war jedoch nicht vorgesehen.

Am 18. März 1990 gewann die konservative „Allianz für Deutschland“, die im Wahlkampf mit Aufschwung, Wohlstand und der D-Mark geworben hatte, die erste freie Volkskammerwahl der DDR. So wurden sämtliche Pläne einer sozialistischen „Wirtschaftsreform“ oder anderer „Dritte Wege“ nicht mehr verfolgt. Die Treuhandanstalt jedoch blieb. In seiner Regierungserklärung vom 19. April 1990 ging der neue Ministerpräsident Lothar de Maizière auf die wirtschaftspolitischen Zielstellungen seiner Regierung und die Rolle der Treuhandanstalt bei deren Umsetzung ein. Die Hauptaufgabe der Treuhandanstalt sah er in der Überführung der volkseigenen Betriebe in marktwirtschaftsadäquate Rechtsformen.

Innenraum der Treuhandanstalt

Im selben Monat griffen die beiden deutschen Regierungen die Verhandlungen über eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion auf. Auch in der Treuhandstelle begannen im April 1990 die ersten 77 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Tätigkeit in spärlich möblierten und schlecht ausgestatteten Büros im Amtssitz des vormaligen DDR-Außenhandelsministeriums. Die Leitung der Treuhand übernahm Peter Moreth von der liberalen Blockpartei Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD).

Ein bis Juli 1990 festgelegter Stellenplan für die Treuhandanstalt umfasste 143 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit Hilfe von 15 neu eingerichteten Außenstellen im gesamten Gebiet der DDR sollten bis zum Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion etwa 8.000 Kombinate und volkseigene Betriebe in Kapitalgesellschaften umgewandelt werden. Hierfür mussten die Betriebe eine Umwandlungserklärung abgeben. Darin wurde das Vermögen auf die neu gegründete GmbH bzw. AG übertragen und die Rechtsträgerschaft am Grund und Boden des Betriebes an die Treuhandanstalt übergeben. Trotz intensiver Bemühungen waren bis zum 30. April 1990 lediglich 75 von 8.000 Betrieben umgewandelt.

Kurz nach Abschluss des ersten Staatsvertrages am 18. Mai 1990 über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion begannen die Verhandlungen über eine Neufassung der Verordnungen und des Status der Treuhandanstalt. Die Bundesregierung wollte die Treuhandanstalt als Behörde zur vollständigen Privatisierung der DDR-Industrie nutzen. Langfristig sollte sie zudem von erfahrenen westdeutschen Unternehmern geleitet werden, die ihre Verbindungen in die bundesdeutsche Wirtschafts- und Unternehmenswelt einbringen würden.

Am 6. Juni 1990 wurde der Entwurf des „Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)“, das zuvor durch eine Arbeitsgruppe beim Amt des Ministerpräsidenten erarbeitet worden war, im Ministerrat debattiert. Am 7. Juni 1990 wurde der Gesetzesentwurf vom Ministerrat schließlich in die Volkskammer eingebracht. Mit dem Gesetzesentwurf sollte die Reorganisation der Treuhandgesellschaft vorangebracht und sie damit noch mehr der Privatisierung und effizienten Verwertung des Volksvermögens verpflichtet werden, verkündete Klaus Reichenbach (CDU/DA) den Volkskammerabgeordneten im Namen des Ministerrates.

Klaus Reichenbach (CDU/DA) brachte am 7. Juni 1990 im Auftrag des Ministerrates den Entwurf des „Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)“ in die Volkskammer ein.
Quelle: Deutscher Bundestag.

Dokument

Günter Nooke von Bündnis 90/Grüne kritisierte den vorliegenden Antrag heftig. Ursprünglich sei es mit der Treuhandanstalt darum gegangen, das Volkseigentum zu schützen und nicht alles „auszuverkaufen“. Er warnte davor „gute Betriebe“ unter Wert zu verkaufen. Das Gesetz ließe vermuten, dass es nur zu einer Liquidierung der Unternehmen kommen würde, damit ließe man die Unternehmen bewusst in Konkurs gehen, um sie billig anbieten zu können. Währenddessen kritisierte u. a. die Fraktion der Liberalen an dem Gesetzesentwurf, dass dieser nicht marktwirtschaftlichen Grundregeln entspreche und noch zu viel staatlicher Einfluss vorherrschen würde. Nach einer hitzigen Debatte wurde der Entwurf schließlich an verschiedene Ausschüsse der Volkskammer überwiesen, federführend war der Wirtschaftsausschuss.

  • Günter Nooke (Bündnis 90/Grüne) kritisierte den eingebrachten Gesetzesentwurf des Treuhandgesetzes am 7. Juni 1990 heftig. Er warnte vor einem Ausverkauf des Volksvermögens.
    Quelle: Deutscher Bundestag.

  • Jochen Steinecke (Die Liberalen) warnte in der Aussprache am 7. Juni 1990  davor, dass der Gesetzesentwurf zur Treuhand den marktwirtschaftlichen Grundregeln nicht entsprechen würde.
    Quelle: Deutscher Bundestag.

Nach zehntägiger Überarbeitungszeit präsentierte der Wirtschaftsausschuss schließlich einen neuen Entwurf des Gesetzes, der in der zweiten Lesung in der Volkskammer am 15. Juni 1990 kontrovers diskutiert wurde.

Besondere Streitpunkte in dieser Debatte waren u. a.:

  • Ausgabe von Anteilsscheinen an den Volkseigenen Betrieben an die Bevölkerung der DDR oder vollständige Übertragung der Unternehmen an die Treuhandanstalt
  • Zentrale oder länderorientierte Organisation
  • Parlamentarische Kontrolle der Treuhandanstalt
  • Verwendung der volkseigenen Vermögen nach der deutschen Einheit

Der Entwurf wurde daraufhin erneut in den Wirtschaftsausschuss überwiesen.

  • „Man kann über Strukturanpassung und muß über Strukturanpassung reden. Dazu brauchen wir Mittel. Das ohne Zweifel. Aber ein verschuldeter Staat – und dieser Staat ist bankrott und nicht seine Bürger – muß durch Steuern, durch Kredite oder Staatsanleihen finanziert werden. Das ist der Weg – und nicht durch die Enteignung der Bürger. Was Sie hier tun, ist die Enteignung der Bürger. Es ist die Volksenteignung in einem ungeheuerlichen Ausmaß.“

    Werner Schulze (Bündnis 90/Grüne),
    Volkskammer 10/15.6.1990, S. 485.
  • Im Zuge der deutschen Einheit mussten viele ostdeutsche Betriebe schließen, wie etwa der Glühbirnenhersteller Narva in Ost-Berlin.
    Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Bild 90_0802_WIF_Narva_02 / Mehner, Klaus

  • Auch die Kupfer-Silber-Hütte in Hettstedt, einst DDR-Vorzeige-Kombinat, war nach Einführung der Marktwirtschaft nicht mehr rentabel.
    Quelle: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Paul Glaser

Nach nur einem Tag Bearbeitungszeit wurde das „Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz)“ am 17. Juni 1990 in seiner dritten Lesung erneut in die Volkskammer eingebracht. Die zentralen Vorhaben des Gesetzes waren in der Präambel zusammengefasst:

  • Möglichst schnelle und weite Reduktion der unternehmerischen Tätigkeit des Staates
  • Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen bei gleichzeitiger Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen
  • Bereitstellung von Grund und Boden für wirtschaftliche Zwecke
  • Nutzung des volkseigenen Vermögens für wirtschaftliche Strukturanpassungen und Sanierung des Haushalts
  • Einräumung eines Anteilsrechts am eventuell verbleibenden volkseigenen Vermögen für Bürgerinnen und -Bürger der DDR nach Abzug der Anpassungs- und Sanierungskosten

Im Gesetzesentwurf wurde zudem festgeschrieben, dass „die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierungen so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen“ sei. Zudem gelte es, „die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen“.

Während die Fraktionen CDU/DA, DBD/DFD, Die Liberalen, DSU und SPD ihre Redezeit zurückzogen und gleich darüber abstimmen wollten, kritisierten die Fraktionen PDS und Bündnis 90/Grüne den Gesetzesentwurf. Klaus Steinitz von der PDS warnte vor der Gefahr des Untergangs ganzer Industriezweige und Regionen mit verheerenden Folgen. Es ginge in dem Gesetz nicht um eine Privatisierung im Interesse der Bevölkerung der DDR, sondern faktisch ginge es bei der Treuhand darum, dass im Ergebnis ein Hauptteil dieses Vermögens in den Händen des „westdeutschen Großkapitals, der Banken und Konzerne“ landen würde. Auch Hanns-Ulrich Meisel (Bündnis 90/Grüne) formulierte in seinem Redebeitrag drastisch: „Die Regierung vollendet heute die Enteignung des Volkes zugunsten des Staates, und das ist nun wirklich das Gegenteil von Privatisierung.“ Es wäre zwar geschafft geworden, ein paar Nachbesserungen in das Gesetz einzubringen. Es sei aber nun dringend erforderlich, dass das Parlament seiner Aufsichtspflicht nachkomme, damit der Staat das Eigentum im Sinne des Volkes verwalten würde, so Meisel.

Das Gesetz wurde schließlich mit großer Mehrheit angenommen und trat gemeinsam mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 in Kraft.

Dokumente

  • Klaus Steinitz (PDS) kritisierte am 17. Juni 1990, dass notwendige Änderungen im Gesetz zur Treuhand nicht aufgenommen wurden.
    Quelle: Deutscher Bundestag.

  • Auch Hanns-Ulrich Meisel (Bündnis 90/Grüne) kritisierte am 17. Juni 1990 den vorliegenden Entwurf des Treuhandgesetzes. Dieses würde die „Enteignung des Volkes“ begünstigen.
    Quelle: Deutscher Bundestag.

  • Proteste gegen die Arbeit der Treuhandanstalt gehörten Anfang der 1990er-Jahre zum Straßenbild in den ostdeutschen Bundesländern.
    Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Bild Scan-042 / Biskup, Daniel

  • Proteste vor dem Gebäude der Treuhandanstalt 1993.
    Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Bild Scan-062 / Biskup, Daniel

Am 16. Juli 1990 konstituierte sich die neue Treuhand als Anstalt öffentlichen Rechts. Entsprechend der novellierten Gesetzesgrundlage wurde die Treuhandanstalt dem Ministerrat der DDR und nach dem 3. Oktober 1990 dem Bundesfinanzministerium unterstellt. Neben der Änderung der Kontrollbefugnisse gestattete die Neuregelung nun auch Eingriffe der Treuhandanstalt in die Geschäftsführung der Unternehmen. Zum Präsidenten der neuen Treuhandanstalt wurde Reiner Maria Gohlke ernannt, der am 1. September 1990 von Detlev Karsten Rohwedder abgelöst wurde. Rohwedder, der zuvor unter anderem Chef des westdeutschen Stahlkonzerns Hoesch AG war, baute nun die Treuhand-Zentrale und ihre Niederlassungen um und aus. Nach der deutschen Einheit wurde unter Rohwedder, der 1991 vermutlich von Mitgliedern der „Roten Armee Fraktion“ ermordet wurde, und seiner Nachfolgerin Birgit Breuel die möglichst rasche Privatisierung des Volkseigentums, dessen Sanierung und die Stilllegung unwirtschaftlicher Betriebe zur Leitlinie der Treuhandanstalt.

Die Treuhand wurde am 31. Dezember 1994 aufgelöst. Bis dahin hatte die Treuhand mehr als 15.000 ostdeutsche Unternehmen und Unternehmensteile durch Verkauf privatisiert oder kommunalisiert. Mehr als 3.700 wurden stillgelegt. Ende 1994 bestanden noch rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze, in den nun privatisierten Unternehmen. 1990 waren es rund 4,1 Millionen Arbeitsplätze gewesen.

Detlev Rohwedder vor Mikrofonen

Detlev Karsten Rohwedder leitete die Treuhandanstalt ab 1. September 1990 bis zu seiner Ermordung am 1. April 1991.

Restitution

Restitution – Die Frage nach den „offenen Vermögenswerten“

Mit Jahresbeginn 1990 verschärfte sich die Situation bezüglich der Frage offener Vermögenswerte. Bei vielen DDR-Bürgerinnen und -Bürgern breitete sich Angst vor dem Verlust des eigenen Hauses aus. Genossenschaftsbäuerinnen und -bauern fürchteten die Ansprüche der Alteigentümerinnen und -eigentümer auf ihr Land. In dieser Situation setzten sich unterschiedliche Gruppierungen und Parteien vom Zentralen Runden Tisch zusammen mit der Regierung Modrow für die Abwehr von Ansprüchen ehemaliger Eigentümerinnen und Eigentümer aus der Bundesrepublik ein.

Mit dem Sieg der „Allianz für Deutschland“ nach den Volkskammerwahlen im März 1990 wurde das „Volkseigentum“ einer Privatisierung unterzogen. Volkseigene Betriebe und Einrichtungen wurden mit Hilfe der Treuhand in Kapitalgesellschaften umgewandelt. Allerdings wollte auch die Regierung de Maizière mit den Koalitionspartnern die Ergebnisse der Bodenreform in Zukunft sichern. Unrechtmäßige Enteignungen nach 1949 sollten überprüft und entschädigt werden. Dies unterstrich Ministerpräsident Lothar de Maizière auch nochmals in seiner Regierungserklärung vom 19. April 1990. Außer dem Redner der DSU stellten sich alle Fraktionen hinter dem Ministerpräsidenten in dieser Thematik.

  • „In den nächsten acht bis zehn Wochen wollen wir die Grundlagen für die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion legen, damit diese vor der Sommerpause in Kraft treten kann. […] Dazu gehört die Sicherung der Eigentumsrechte aus der Bodenreform und aus Eigentumsübertragungen, die nach Treu und Glauben rechtens waren und daher auch rechtens bleiben müsse. […] Die offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Eigentum an Grund und Boden in der Land- und Forstwirtschaft. Im Namen der Regierung stelle ich hier fest: Die Ergebnisse der Bodenreform auf dem Territorium der DDR stehen nicht zur Disposition. “

    Lothar de Maizière (Ministerpräsident),
    Volkskammer 10/3, 19.4.1990, S. 43; 47.

Eine Rückgabe von entzogenem Eigentum war zunächst von DDR-Seite nicht vorgesehen. Die Bundesregierung favorisierte hingegen das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“. Nur in Ausnahmefällen sollte eine Entschädigung möglich sein. Schon im Dezember 1989 hatte Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem damaligen DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow die Einsetzung einer gesamtdeutschen Arbeitsgruppe vereinbart, um eine einvernehmliche Regelung der offenen Vermögensfragen zu erreichen. Diese nahm allerdings erst im Februar 1990 ihre Verhandlungen auf und erarbeitete konkrete Überlegungen ab März 1990. Dennoch konnte die Frage der Vermögenswerte nicht vor Unterzeichnung des ersten Staatsvertrages („Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“) im Mai 1990 abschließend geklärt werden.

Am 15. Juni 1990 wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe in der „Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen“, die die Eckpunkte der späteren Regelung der offenen Vermögenswerte skizzierte, veröffentlicht. Darin wurde der Kompromiss zwischen Bundesrepublik und DDR deutlich. Es wurde festgeschrieben, dass die „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage (1945 bis 1949)“ aus Sicht der DDR und der Sowjetunion nicht mehr rückgängig zu machen wären. Die Bundesrepublik sei hingegen der Auffassung, dass „einem künftigen gesamtdeutschen Parlament eine abschließende Entscheidung über etwaige staatliche Ausgleichsleistungen“ vorbehalten bleiben müssten. Hier konnte sich die DDR-Seite durchsetzen.

Als große Maxime zur Lösung der offenen Vermögensfragen wurde das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ festgelegt. Hier setzte sich die bundesdeutsche Seite – im Sinne der Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP – durch. Trotzdem sollte es Ausnahmeregelungen für DDR-Bürgerinnen und -Bürger geben, die Eigentum gutgläubig erworben hatten. Die gemeinsame Erklärung floss später als eigener Bestandteil in den Einigungsvertrag ein.

Am 11. Juli 1990 verabschiedete der DDR-Ministerrat die „Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche“. Darin wurde ausdrücklich darauf verwiesen, dass Enteignungen auf besatzungsrechtlicher Grundlage nicht angetastet werden durften. Wer vermögensrechtliche Ansprüche habe, könnte diese bis 31. Januar 1991 anmelden. Diese Frist wurde am 8. August 1990 auf Antrag der Fraktion Die Liberalen in der Volkskammer durch eine mehrheitliche Abstimmung auf den 13. Oktober 1990 verkürzt – auch um Kommunen und Gemeinden in der DDR die Vergabe und den Verkauf von Grundstücken zu ermöglichen.

Dokumente

De Maizière wollte die Frage offener Vermögenswerte im Einigungsvertrag endgültig geklärt haben. Neben der gemeinsamen Erklärung sollte daher auch ein „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ in den Einigungsvertrag einfließen, das die vermögensrechtlichen Ansprüche enteigneter oder durch staatliche Verwaltung in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkter Eigentümer regeln sollte. Der Gesetzesentwurf, der auf Vorarbeiten der gesamtdeutschen Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesfinanzministeriums entstand, wurde am 29. August 1990 im DDR-Ministerrat beschlossen. Das Gesetz sollte u. a. grundsätzliche Festlegungen treffen, nach welchen Kriterien die vermögensrechtlichen Ansprüche zu entscheiden seien und wie diese abgewickelt werden sollen.

In das Vermögensgesetz wurde auch eine Regelung aufgenommen, wonach auch Anträge von Bürgerinnen und Bürgern und Vereinigungen gestellt werden konnten, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen verloren haben. Denn eine NS-verfolgungsbedingte Wiedergutmachung erlittener Vermögensschäden zwischen 1933 und 1945 war auf dem Gebiet der DDR im Gegensatz zur Bundesrepublik bisher nicht erfolgt.

Wie in der gemeinsamen Erklärung galt auch im Vermögensgesetz der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“. Abweichungen von diesem Grundsatz gab es jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Sofern eine Rückgabe „aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen“ nicht möglich war, konnte stattdessen für den erlittenen Vermögensverlust eine Geldentschädigung nach dem Entschädigungs- beziehungsweise Ausgleichsleistungsgesetz gewährt werden.

Dokument

Weitere Ausnahmen bildeten Fälle, in denen eine Rückgabe als unmöglich erachtete wurde. Dies war beispielsweise bei Grundstücken und Gebäuden der Fall, wenn sie von Gemeinden genutzt wurden oder wenn deren Nutzungsart und Zweckbestimmung durch bauliche Maßnahmen verändert worden waren und ein öffentliches Interesse an der Nutzung bestand. Restitutionsansprüche entfielen zudem bei besonderen Investitionsinteressen, wenn beispielsweise betreffende Vermögenswerte zur Schaffung oder Sicherung von Arbeitsplätzen oder Wohnraum dienten. In diesen Fällen war eine Entschädigungszahlung an die Alteigentümerinnen und -eigentümer vorgesehen. Auch die bereits unter sowjetischer Besatzung zwischen 1945 und 1949 vollzogene Enteignung von Vermögenswerten konnten nicht rückgängig gemacht werden. Die im Zuge der unter sowjetischem Besatzungsrecht durchgeführten Bodenreform Enteigneten erhielten ebenfalls Ausgleichsleistungen.

Das „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ wurde weder im Bundestag noch in der Volkskammer separat debattiert und verabschiedet. Die Abgeordneten beider Parlamente stimmten lediglich über den Einigungsvertrag mitsamt seinen Anhängen im Ganzen ab. Somit stimmte die Volkskammer am 20. September 1990 in ihrer mehrheitlichen Zustimmung für den Einigungsvertrag auch dem Vermögensgesetz zu.

In der darauffolgenden und vorletzten Sitzung der Volkskammer am 28. September 1990 stellte die Fraktion Bündnis 90/Grüne erneut einen Antrag mit der Empfehlung, das „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ zu ergänzen. Wolfgang Ullmann von Bündnis 90/Grüne forderte, dass eine Regelung offener Vermögensfragen in Bezug auf die Opfer nationalsozialistischer Enteignungen ergänzt werden müsste: „Dieses Gesetz ist entsprechend auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen anzuwenden, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben.“ Der Beschlussantrag sehe vor, dass in diesem Absatz 6 hinter die Worte „Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen“ hinzugesetzt wird „und ihre Erben“. Um der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit Rechnung zu tragen, sei die Ergänzung des Gesetzes nötig, damit NS-verfolgte Bürgerinnen und Bürger ihre Ansprüche fordern könnten. Viele könnten diese Ansprüche nur über die Erben bzw. Rechtsnachfolger ihrer ehemaligen Firmen, die aufgrund des NS-Gesetzes vom 9.10.1934 arisiert worden waren, geltend machen.

Wolfgang Ullmann (Bündnis 90/Grüne) stellte am 28. September 1990 einen Antrag zur Ergänzung des „Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen“, um die Situation der NS-Verfolgten bei der Wiedergutmachung von Vermögenswerten zu verbessern.
Quelle: Deutscher Bundestag.

Die Überweisung an den Rechtsausschuss wurde ohne Aussprache einstimmig beschlossen. In derselben Sitzung empfahl auch der Rechtsausschuss dieser Änderung zuzustimmen. Der Rechtsausschuss empfahl zudem folgenden Absatz zu ergänzen:

„(6 a) Dieses Gesetz ist ferner anzuwenden auf vermögensrechtliche Ansprüche in bezug auf Gesellschaften oder Genossenschaften, die in der Zeit vom 30. 1. 1933 bis 8. 5. 1945 aus den in Abs. 6 genannten Gründen u. a. gemäß dem Gesetz vom 9. 10. 1934 ihr Vermögen und ihre Rechtsstellung verloren haben. Hierunter fallen auch die nachweislich unter Zwang durchgeführten Verkäufe von Gesellschaftsanteilen an Kapitalgesellschaften.“

Die Drucksache wurde von der Volkskammer schließlich mehrheitlich angenommen, auch wenn diese Ergänzung dann nicht in das Gesetz, das nach der deutschen Einheit Gültigkeit erlangte, aufgenommen wurde.

Ab dem 3.10.1990 galt das „Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen“ (kurz: Vermögensgesetz) in der gesamten Bundesrepublik; es wurde später noch ergänzt und erweitert. Für vermögensrechtliche Anträge galt eine Frist bis zum 31. Dezember 1992, für bewegliche Sachen bis zum 30. Juni 1993. Bis auf wenige Restfälle sind die vermögensrechtlichen Verfahren heute abgeschlossen. Insgesamt 99,4 Prozent der Rückübertragungsanträge, die mehr als 2,2 Millionen Flurstücke betrafen, wurden bis Ende 2011 bearbeitet. Aus dem Entschädigungsfond wurden bis Ende 2011 insgesamt rund 1,9 Milliarden Euro als Entschädigung an NS-Verfolgte und rund 1,6 Milliarden Euro als Entschädigung und Ausgleich an nach 1945 Enteignete ausgezahlt.

Dokument

Das Parteivermögen der SED und der Blockparteien

Die Vermögen der SED und der Blockparteien

Im Dezember 1989 befand sich die SED in einer Krise. Die alten Spitzenfunktionäre wie Erich Honecker, Erich Mielke und Willi Stoph schloss man aus der SED aus. Hundertausende Parteimitglieder traten zudem freiwillig aus der SED aus. Auf dem außerordentlichen Parteitag am 8. und 9. Dezember 1989 versuchte die SED, durch die Umbenennung in Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS), einen Neuanfang zu starten. Dort stellte sich auch die Frage, ob die SED aufgelöst werden oder sich von innen heraus grundlegend verändern und erneuern sollte. Insbesondere Rechtsanwalt Gregor Gysi und der damalige Ministerpräsident Hans Modrow überzeugten die Delegierten in der überfüllten Dynamo-Sporthalle in Berlin-Hohenschönhausen, den Verlust des alten milliardenschweren SED-Vermögens nicht durch eine Neugründung der Partei zu riskieren. Schließlich entschied sich die breite Mehrheit der Delegierten dafür, dass die Partei bestehen bleiben sollte.

Dadurch trat die Partei, die im Februar 1990 schließlich in „Partei des Demokratischen Sozialismus“ (PDS) umbenannt wurde, die vermögensrechtliche Nachfolge der alten SED an. Zwar hatte die Partei in einer vermeintlich großzügigen Geste vor der Volkskammerwahl im März 1990 freiwillig auf gut drei Milliarden Mark der DDR aus dem SED-Vermögen zugunsten der Staatskasse verzichtet. Dennoch besaß die PDS weiterhin ein Milliardenvermögen aus Geld sowie Immobilien- und Firmenbesitz. Darüber hinaus versuchte die Parteiführung auf verschiedene Weise, das Parteivermögen dem staatlichen Zugriff zu entziehen und den genauen Umfang des Vermögens nicht offenzulegen. So war bereits im Dezember 1989 eine parteiinterne „Arbeitsgruppe zum Schutz des Vermögens der SED-PDS“ von der Partei eingesetzt worden. Im Mai 1990 wurde das Parteivermögen der SED sowie der Blockparteien und staatsnahen Organisationen auch in der ersten freigewählten Volkskammer Thema.

Am 31. Mai 1990 brachten die Koalitionsfraktionen (CDU/DA, DSU, Die Liberalen, SPD) auf Initiative der DSU einen Antrag zu einem „Beschluss der Volkskammer betreffend Vermögenswerte aller Parteien und Massenorganisationen der DDR“ in die Volkskammer ein. Ziel des Antrages war es, eine „unabhängige Kommission“ durch den Ministerpräsidenten zu bilden, um

„1. bis zum 30. Juni 1990 die Vermögenswerte aller Parteien und Massenorganisationen der DDR im In- und Ausland festzustellen […]

2. mit sofortiger Wirkung in treuhänderischer Verwaltung der vom Ministerpräsidenten eingesetzten unabhängigen Kommission zu überführen.“

Zudem sollten gesetzliche Verfahren erarbeitet werden mit Hilfe derer die Vermögenswerte wie Guthaben, Grundstücke, Immobilien, Betriebe, Unternehmensbeteiligungen, Erträge aus Verkäufen etc. „zugunsten gemeinnütziger Zwecke eingezogen werden können“.

Hansjoachim Walther (DSU) begründete den Antrag u. a. damit, dass es auch um die Erfüllung einer der „Hauptforderungen der Revolutionäre“ gehe, „unrechtmäßig erworbenes Vermögen der Parteien zu enteignen.“ Die „furchtbare Vergangenheit unseres Landes“ verlange eine Bewältigung nicht nur „auf dem Gebiet der Zerschlagung der Staatssicherheit“, sondern auch „die Offenlegung aller Vermögen der Parteien und Gruppierungen“, so Walther.

Gregor Gysi (PDS) erwiderte in der Debatte daraufhin, dass die PDS sich von dem größeren Teil des Eigentums durch eigene Entscheidung bereits getrennt hätte. Zudem sei die Offenlegung des Parteivermögens bereits im Parteiengesetz geregelt. Er kritisierte insbesondere den Vorschlag der Einsetzung einer treuhänderischen Regierungskommission, so würde den Parteien jede eigene Entscheidungs- und Bestätigungsmöglichkeit in finanzieller Hinsicht genommen. Zudem würde die Regierung hierdurch versuchen, die Opposition zu verwalten und auf diese Art und Weise die PDS „zu liquidieren“.

Richard Schröder von der SPD entgegnete, dass es nicht um „Rache und Strafe“ gehe, sondern dass aufgeklärt werden müsse, welche Vermögensbewegungen es ab dem 7.10.1989 gegeben habe. Es ginge um eine faire Aufdeckung, die PDS solle damit nicht arbeitsunfähig gemacht werden. Auch Bündnis 90/Grüne befürwortete prinzipiell den Antrag. Dieser wurde dann an den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen.

  • Hansjoachim Walther (DSU) brachte am 31. Mai 1990 einen Antrag zu einem „Beschluss der Volkskammer betreffend Vermögenswerte aller Parteien und Massenorganisationen der DDR“ in die Volkskammer ein.
    Quelle: Deutscher Bundestag.

  • Gregor Gysi (PDS) kritisierte in der Volkskammersitzung am 31. Mai 1990 am Antrag der DSU insbesondere den Vorschlag der Einsetzung einer treuhänderischen Regierungskommission.
    Quelle: Deutscher Bundestag.

  • Richard Schröder (SPD) unterstützte am 31. Mai 1990 im Namen seiner Fraktion den Antrag der DSU um Vermögensbewegungen der Parteien und Massenorganisationen aufzuklären.
    Quelle: Deutscher Bundestag.

Der Innenausschuss empfahl in derselben Sitzung am 31. Mai 1990 schließlich, das bestehende Parteiengesetz vom 21. Februar 1990 um die § 20 a und 20 b zu ergänzen. In diesen Paragraphen sollte die Bildung einer unabhängigen Kommission des Ministerpräsidenten festgeschrieben werden. Die Parteien und ihnen verbundene Organisationen hätten dieser eingesetzten Kommission mit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juni 1990 vollständig Rechenschaft abzulegen, „welche Vermögenswerte seit dem 8. Mai 1945 in ihr Vermögen oder das einer Vorgänger- oder Nachfolgeorganisation durch Erwerb, Enteignung oder auf sonstige Weise gelangt sind oder veräußert, verschenkt oder auf sonstige Weise abgegeben wurde“. Insbesondere sei „eine Vermögensübersicht nach dem Stand vom 7. Oktober 1989 sowie über die seitdem erfolgten Veränderungen zu erstellen.“ Zudem solle zur Sicherung von Vermögenswerten das Vermögen der Parteien und ihrer Organisationen unter treuhänderische Verwaltung durch die unabhängige Kommission gestellt werden.

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Die Fraktion Bündnis 90/Grüne kritisierte an diesem Vorschlag des Innenausschusses, dass die Überprüfungskommission vom Ministerpräsidenten gestellt werden würde, der der Blockpartei CDU angehören würde, die jedoch auch entsprechend untersucht werden müsste. Aus Angst vor einer möglichen Befangenheit bei der Untersuchung schlug die Fraktion Bündnis 90/Grüne vor, dass die Zusammensetzung und Arbeit der unabhängigen Kommission vom Innenausschuss kontrolliert werden müsse. Allerdings wurde dieser Änderungsvorschlag abgelehnt, während der Vorschlag des Innenausschusses mehrheitlich angenommen wurde.

Die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (UKPV) wurde daraufhin am 8. Juni 1990 berufen und bestand zunächst aus acht, dann aus elf Mitgliedern, die vom Ministerpräsidenten ernannt wurden. Zudem erhielt die Kommission von zwei Regierungsbeamten aus Bonn beratende Unterstützung in ihrer Arbeit. Die Kommission stand unter der Leitung des parteilosen Berliner Rechtsanwalts Georg Reincke und beschränkte sich zunächst lediglich auf die schriftliche Anforderung der Bilanzen der Parteien und Organisationen. Dies betraf sowohl die SED als auch die vier sogenannten DDR-Blockparteien – CDU, Bauernpartei (DBD), Liberaldemokraten (LDPD) und Nationaldemokraten (NDPD) – sowie insgesamt 16 staatsnahe Organisationen wie u. a. der DDR-Gewerkschaftsbund FDGB, die SED-Jugendorganisation FDJ, der Frauenbund, die Liga für Völkerfreundschaft oder der DDR-Journalistenverband. Es ging dabei noch nicht um die Prüfung und Weiterermittlungen des Vermögens, obwohl die Kommission berechtigt gewesen wäre, Beweisaufnahmen durchzuführen.

Dies wurde auch am 22. Juli 1990 deutlich, als Ministerpräsident Lothar de Maizière einen Zwischenbericht der Unabhängigen Kommission in der Volkskammer vorstellte. De Maizière berichtete, dass die verschiedenen Parteien und Organisationen bereits Berichte über den Stand des Parteienvermögens angefertigt hätten, deren Qualität sehr unterschiedlich sei. In allen Berichten sei zu erkennen, dass es zu einer Vermischung von Volkseigentum in Rechtsträgerschaft der Parteien und Parteivermögen gekommen sei. Bezüglich des Auslandsvermögens sei zudem von der PDS am 1. Juli 1990 bekannt gegeben worden, dass das Vermögen aus den Tätigkeiten von Alexander Schalck-Golodkowski, dem ehemaligen Leiter der Kommerziellen Koordinierung, sich möglicherweise im Ausland befände. Die Kommission erwartete daher eine klare rechtliche Vereinbarung zwischen dem Ministerium der Finanzen und der PDS zur Sicherung des Eigentums der DDR, so de Maizière. Die Frist zur Einreichung zur Offenlegung des gesamten Parteienvermögens der letzten 40 Jahren bestehe noch bis zum 30. Juli 1990. Harald Ringstorff von der SPD kritisierte daraufhin die Arbeit der Untersuchungskommission. Die Arbeit würde dilettantisch vollzogen werden und es dauere viel zu lange. Eine weitere Aussprache des Berichts fand nicht statt.

Am 22. Juli 1990 stellte der Ministerpräsident Lothar de Maizière einen Zwischenbericht der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Parteienvermögens vor.
Quelle: Deutscher Bundestag.

Insgesamt blieben die Befugnisse und die geleistete Arbeit der Kommission vor dem 3. Oktober 1990 aufgrund fehlender Handlungskompetenz, unzureichender personeller und finanzieller Ausstattung sowie mangelnder Sanktionsmöglichkeiten weitgehend unwirksam. So konnten Parteigelder der Blockparteien wie auch der PDS weiterhin ohne Wissen der Kommission verschoben werden. Die Kommission wurde zudem in wichtigen Entscheidungen nicht einbezogen. So beschloss beispielsweise die Volkskammer am 22. Juli 1990 auf Antrag der Fraktion Die Liberalen eine entscheidende Änderung des Parteiengesetzes, das den Zusammenschluss von Parteien aus der DDR mit denen aus der Bundesrepublik ermöglichen und damit auch das Vermögen der Parteien betreffen sollte: „Der Zusammenschluß (Fusion) von Parteien, die auf dem Gebiet der DDR wirken, mit Parteien der Bundesrepublik Deutschland ist zulässig. Die durch einen solchen Zusammenschluß entstandenen gesamtdeutschen Parteien treten die Gesamtrechtsnachfolge der Vorgängerparteien an.“

Durch die Möglichkeit der Fusion fiel das Vermögen der aufgelösten Parteien nicht mehr nach § 13 a des DDR-Parteiengesetzes „für gemeinnützige Zwecke“ an den Staat, sondern die fusionierte Partei konnte die „Gesamtrechtsfolge der Vorgängerpartei“ antreten. Conrad-Michael Lehment von den Liberalen behauptete allerdings noch am 19. Juli 1990, als er den Antrag in die Volkskammer einbrachte, dass garantiert werden sollte, dass in den Rechnungslegungen der künftigen gesamtdeutschen Parteien dieses Sondervermögen der DDR-Parteien ausgewiesen und nicht mit Vermögenswerten gegenwärtiger bundesrepublikanischer Parteien vermischt werde, bis die Unabhängige Kommission zur Überprüfung der Vermögenswerte aller Parteien und Massenorganisationen der DDR ihren Auftrag erfüllt hätte. Rainer Börner (PDS) merkte daraufhin an, dass das Vermögen zwar laut Aussage von Conrad-Michael Lehment dann auch in den vereinten Parteien getrennt zu behandeln, aber dies dem Gesetzesentwurf nicht konkret zu entnehmen sei.

Der Antrag wurde dennoch bei einigen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen an den Rechtsausschuss überwiesen und schließlich am 22. Juli 1990 in zweiter Lesung ohne Aussprache mehrheitlich angenommen.

Auch wegen der unbefriedigenden Ergebnisse der Unabhängigen Kommission stellte die DSU-Fraktion am 24. August 1990 in der Volkskammer einen Antrag über ein „Gesetz zur Enteignung der Grundvermögen von Parteien und Massenorganisationen (Parteienenteignungsgesetz)“.  Lothar Anys von der DSU begründete den Antrag damit, dass das Problem des Parteivermögens und Vermögens der Massenorganisationen immer noch nicht behoben worden sei und dass dies unbedingt vor dem 3. Oktober geschehen sollte. Die Funktionärspaläste der Parteien, die Betriebe der früheren SED und ihrer Nachfolger, die Verlage, die Wohnheime und Gasthäuser und sonstigen Liegenschaften würden einfach bestehen bleiben. Dabei könnte mit diesen Vermögen „die Not der unmittelbaren Opfer des SED-Regimes“ gelindert werden:

„Bei den Verhandlungen zum Staatsvertrag wurde gesagt, für die Opfer des SED-Regimes sei kein Geld da. Wir von der DSU sagen, dann nehmen wir eben die Vermögen derer, die einmal bevorzugt wurden, die dieses vergangene Regime stützten, und natürlich auch derer, die dieses Regime bildeten. Wir wollen den Opfern helfen, nicht die Täter schützen, im Gegenteil.“

Dokumente

Mit Hilfe einer zu errichteten „Vollzugsbehörde“ sollte, so der DSU-Antrag, das Grundvermögen der politischen Parteien und Massenorganisationen festgestellt und übernommen, vorrübergehend verwaltet und nach Wiederherstellung der deutschen Einheit als Sondervermögen dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Die Vollzugsbehörde sollte das Grundvermögen und die Immobilen in Form von Stiftungen sozialen Zwecken zugutekommen lassen. Der Entwurf beziehe sich dabei auf alles Grundvermögen, das seit dem Kriegsende als Eigentum erworben wurde. Nach dem 9. Oktober 1989 getätigte Verkäufe oder ähnliche Transaktionen oder Tauschgeschäfte sollten zudem unwirksam werden. Nur auf diese Weise könnte ein etwaiger Versuch, Vermögen über Mittelsmänner in Sicherheit zu bringen, vereitelt werden. Bei Missachtung der Offenlegung von Vermögensverhältnissen oder Falschaussagen sollten Strafmaßnahmen greifen.

Reiner Krziskewitz (CDU/DA) befürwortete grundsätzlich den Antrag der DSU, auch wenn dieser nochmals in den Ausschüssen beraten werden müsse. Er sei aber gegen eine neue Vollzugsbehörde, sondern plädierte dafür, die Aufgaben der bestehenden unabhängigen Untersuchungskommission auszuweiten. Das Gesetz sollte Gerechtigkeit und Chancengleichheit schaffen. Die Parteien müssten auch weiterhin in der Lage sein, ihre politische Arbeit weiterzuführen.

Hinrich Kuessner von der SPD kritisierte den Entwurf der DSU. Eine Enteignung würde die Vormachtstellung der Rechtsnachfolger der SED und ihrer Blockparteien brechen und mehr Chancengleichheit bei den bevorstehenden Wahlen bringen. Trotzdem sei eine totale Enteignung keine Lösung. Es gehe nicht darum, dass die alten Neuparteien mittellos und damit politisch wirkungslos gemacht werden. Durch die Enteignungen würden zudem auch die Gewerkschaften mittellos werden. Diese sowie Parteien, Bürgerbewegungen und andere politische Organisationen brauche man aber für eine Demokratie. Die SPD erwarte von der PDS die Herausgabe des SED-Vermögens. Auch Blockparteien wie die CDU sollten nicht die Last des alten Vermögens weitertragen und ihre Vermögensverhältnisse offenlegen: „Die Last der alten zu Unrecht erworbenen Vermögenswerte schadet der Entwicklung unserer neuen Demokratie.“

Hanns-Ulrich Meisel von Bündnis 90/Grüne konstatierte, dass ein solches Gesetz lange überfällig wäre. Denn die Volkskammer hatte bereits am 31. Mai eine Untersuchungskommission beschlossen, aber auch ein „gesetzliches Verfahren vorbereitet, mit dem die in Ziffer 2 genannten Vermögenswerte zugunsten gemeinnütziger Zwecke eingezogen werden können.“ Er kritisierte auch die im Juli beschlossenen Änderungen am Parteiengesetz, die sicherstellen würden, dass bei Parteienfusionen das Parteivermögen in die vereinte Partei mitgenommen werden könnten: „Es liegt der Verdacht nahe, daß die CDU der Bundesrepublik und die nunmehr vereinte FDP ihre Parteifinanzen mit dem Vermögen aus diesem Lande sanieren wollen. […] Und sie nehmen dafür dann in Kauf, daß auch das unrechtmäßige Vermögen der PDS dabei mehr oder weniger unangetastet bleibt.“

Das „Altvermögen“ müsse sichergestellt werden. Dabei dürfe das Geld nicht einfach in den Staatshaushalt fließen, sondern es müsse gesichert werden, dass insbesondere die Menschen entschädigt werden, die unter dem Regime der vergangenen 40 Jahren Schäden erlitten hätten. Die PDS sowie die Blockparteien müssten sich dieser Verantwortung stellen.

  • „Vespaian hatte unrecht: Geld stinkt doch. Dieses riecht nach 40 Jahren Unrecht und Mißwirtschaft, nach Polizeistiefeln und Rinderoffenstall. Es hat den muffigen Geruch der Versammlungslokale der Nationalen Front […] Und ich sage Ihnen, nicht als Vertreter der Opposition, sondern als Bürger, dem die Demokratie in diesem Lande, in jeder Partei am Herzen liegt: Trennen Sie sich von diesem Geld, das ist das beste!“

    Hanns-Ulrich Meisel (Bündnis 90/Grüne),
    Volkskammer 10/32, 24.8.1990, S. 1468.

Auch die PDS-Fraktion äußerte sich zum Antrag der DSU. Gregor Gysi (PDS) behauptete, dass mit der Frage der Abgabe von Eigentum ja unmöglich die PDS gemeint sein könne, denn im Unterschied zu allen anderen Parteien hätten sie „75 % des ehemaligen Eigentums“ bereits abgegeben. Der Entwurf sei eine „politische Kriegserklärung“. Die DSU wolle faktisch die „politische Tätigkeit“ der PDS liquidieren. Marianne Birthler von Bündnis 90/Grüne schob daraufhin ein, dass für die Glaubwürdigkeit der PDS notwendig gewesen wäre „ein wenig mehr Worte zu verlieren, als die immer wieder wiederholten 75 %.“ Die PDS stehe nach wie vor „in unser aller Schuld“.

Der Antrag wurde schließlich bei einigen Stimmenthaltungen und einigen Gegenstimmen in den Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Verfassung und Verwaltungsreform sowie den Innenausschuss überwiesen.

Die „Aktuelle Kamera“ zeigte am 24. August 1990 einen Zusammenschnitt der hitzigen Volkskammerdebatte zum Antrag der DSU über ein „Gesetz zur Enteignung der Grundvermögen von Parteien und Massenorganisationen (Parteienenteignungsgesetz)“.
Quelle: Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv.

Der Rechtsausschuss empfahl am 13. September 1990, dem Gesetzesentwurf der DSU nicht zuzustimmen. Es würden Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit vor allem im Hinblick auf die geplante Enteignung im Antrag bestehen. Die Arbeit der mit Beschluss der Volkskammer vom 31. Mai 1990 eingesetzten Regierungskommission müsse zunächst zu Ende geführt werden, damit festgestellt werden könne, welches Eigentum der Parteien rechtmäßig erworben wurde. Zudem werde dieses Thema durch den Einigungsvertrag geregelt. Die Mehrheit der Volkskammerabgeordneten schloss sich der Empfehlung des Rechtsausschusses an und stimmte gegen den Entwurf der DSU.

Laut Einigungsvertrag sollte § 20 a und 20 b des Parteiengesetzes der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft bleiben. Allerdings wurden diese Paragraphen um einige Punkte ergänzt. Zum einen sollte die Kommission der Rechtsaufsicht der Bundesregierung unterstellt und um sechs weitere Mitglieder ergänzt werden. Außerdem sollte die gesamte treuhänderische Verwaltung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR der Treuhandanstalt übertragen werden. Sie sollte sich darum kümmern, dass das Vermögen den früheren Eigentümern zurückgegeben werde. Die Parteien und Massenorganisationen sollten wiederum nur das Vermögen behalten dürfen, das sie nach rechtsstaatlichen Grundsätzen im Sinne des Grundgesetzes, das jetzt für Ost- und Westdeutschland gelte, erworben haben. Das verbleibende Vermögen sollten zudem die neuen Bundesländer für „gemeinnützige Zwecke“ erhalten.

Dokument

Mit dem 3. Oktober 1990 übernahm die „Treuhandanstalt, Direktorat Sondervermögen“ nun die Erfassung und Verwaltung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen, während die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (UKPV) das Vermögen auf ihren rechtmäßigen Erwerb hin ermittelte und überprüfte. Die Kommission war ab 3. Oktober 1990 paritätisch mit Ost- und Westdeutschen besetzt. Sieben Mitglieder aus der alten DDR-Kommission waren bis zuletzt Teil des 16-köpfigen Gremiums. Unterstützt wurde die Kommission in ihrer alltäglichen Arbeit ab Ende 1990 durch ein ständiges Sekretariat, das im Wesentlichen die Vermögensermittlungen übernahm und Entscheidungen der UKPV vorbereitete. Insgesamt gelang der Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (UKPV) bis zu ihrer Auflösung am 31. Dezember 2006 insgesamt mehr als 1,6 Milliarden Euro sicherzustellen. Davon stammten 1,2 Milliarden Euro aus dem Vermögen der SED.

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