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Zentraler Runder Tisch
1989 – 1990

Die Frage von Eigentum und „offenen Vermögenswerten“, bedingt durch Enteignungen während des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit, sowie der Umgang mit dem „Volksvermögen“ spielten bereits am Zentralen Runden Tisch eine große Rolle. Aber auch die bekannt gewordenen Details rund um die Machenschaften der Kommerziellen Koordinierung (Koko) und deren Leiter Alexander Schalck-Golodkowski bewegten die Vertreterinnen und Vertreter am Zentralen Runden Tisch.

Die Ursprünge der Treuhand

Die Ursprünge der Treuhand

Unter der Regierung Modrow gab es auch aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Lage der DDR bereits im November 1989 Diskussionen um eine Wirtschaftsreform. Die am 18. November 1989 von der Volkskammer gewählte Wirtschaftsministerin Christa Luft sollte Vorschläge für solch eine Reformierung erarbeiten, in der die vom fortbestehenden Staatseigentum geprägte Planwirtschaft weiterhin Bestand haben sollte.

Parallel dazu fanden auch  in der Bundesrepublik Diskussionen um die DDR-Wirtschaft statt. Das Bundesfinanzministerium entwickelte Ende Januar ein eigenes Konzept mit der Möglichkeit einer „Währungsunion“, die die D-Mark zum offiziellen Zahlungsmittel der Ostdeutschen machen sollte. Die „Währungsunion“ sollte aber mit einer umfassenden Wirtschaftsreform verknüpft werden, die auf eine vollständige Übernahme des westdeutschen Wirtschaftsmodells, der sozialen Marktwirtschaft, hinauslaufen sollte.

Am Zentralen Runden Tisch äußerte sich Wolfgang Ullmann von Demokratie Jetzt (DJ) und seit 5. Februar 1990 Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung Modrow zu diesem Vorschlag der Bundesregierung am 12. Februar 1990. Es gelte „schnellstmöglich die Selbstorganisationskräfte des Marktes“ in der DDR wirken zu lassen. Eine Währungsunion auf DM-Basis sei denkbar, wenn diese mit einem „sozialen Absicherungsprogramm“ gekoppelt sei. Dabei solle sowohl das Eigentum von Grund und Boden vor erneuten Enteignungen geschützt sein als auch Mietspekulationen verhindert und das Sparguthaben der Bürgerinnen und Bürger gesichert werden. Um das bedrohte Volksvermögen zu schützen, schlug Ullmann vor, dass „eine Treuhandstelle errichtet wird zur Sicherung der Rechte der DDR-Bevölkerung am Gesamtbesitz des Landes“.

Zentraler Runder Tisch

Am 12. Februar 1990 wurde die Idee einer Treuhandanstalt am Zentralen Runden Tisch diskutiert.

Wolfgang Ullmanns Idee einer Treuhandstelle stützte sich auf ein Konzept des Gesprächskreises „Freies Forschungskollegium Selbstorganisation“, in dem u. a. er, der Physiker Gerd Gebhardt sowie der Ingenieur Matthias Artzt ein neues, dezentrales Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell entwickelt hatten. Dies beruhte auf einer breiten gesellschaftlichen Verteilung und Kontrolle von Gemeineigentum. Denn das Volksvermögen sei zum einen durch alte SED-Kader, die sich zunehmend als neue „Manager“ oder Eigentümer positionierten, und zum anderen durch westliche „Kapitalisten“, die sich bereits umfassend nach Spekulationsmöglichkeiten umsähen, bedroht. Eine sofort zu schaffende „Treuhandstelle“ sollte das Industrievermögen zunächst in die „Rechts- und Eigentumsformen der Bundesrepublik“ überführen. Nach der „Bewahrung“ sollte in einem zweiten Schritt eine „Demokratisierung“ dieses Vermögens über die Ausgabe von Anteilsscheinen an die Bevölkerung erfolgen.

Am 19. Februar 1990 beschloss der Zentrale Runde Tisch, die Regierung Modrow zu beauftragen, in den beginnenden Verhandlungen zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der Regierung der Bundesrepublik „vordringlich und in besonderer Weise die Interessen leistungsgeminderter und sozial schwacher Personen zu berücksichtigten, um eine Sicherung und Verbesserung ihrer Lebenslage zu erzielen“ sowie die „Eigentumsrechte von Bürgern der DDR an Grund, Boden und Gebäuden zu gewährleisten“.

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Ende Februar griff die Regierung Modrow den Vorschlag von Wolfgang Ullmann schließlich auf und erarbeitete einen Gesetzesentwurf zur Gründung einer Treuhandanstalt. Allerdings fehlte ein wesentlicher Punkt: die neue Behörde sollte zwar die rechtsförmige Umwandlung des Volkseigentums in Angriff nehmen, eine sofortige Ausgabe von Anteilsscheinen war allerdings – sehr zum Unmut der Initiatoren um Ullmann – nicht vorgesehen. Das Freie Forschungskollegium protestierte daraufhin mit einer öffentlichen Stellungnahme, jedoch ohne Konsequenzen. Am 1. März 1990 beschloss der Ministerrat der DDR unter Hans Modrow die Gründung einer „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“ und erließ am 15. März 1990 eine flankierende Verordnung zur Umwandlung der Betriebe.

Am 18. März 1990 gewann die konservative, aus Westdeutschland von CDU und CSU unterstützte „Allianz für Deutschland“ die erste freie und letzte Volkskammerwahl der DDR. So wurden sämtliche Pläne einer sozialistischen „Wirtschaftsreform“ oder andere „Dritte Wege“ nicht mehr verfolgt. Die Treuhandanstalt jedoch blieb. Sie sollte nun jedoch nicht zur langfristigen Bewahrung des Volksvermögens dienen, sondern im Gegenteil – „die unternehmerische Tätigkeit des Staates“ sollte durch „Privatisierungen so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen“ sein. Zudem sollte „die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen“ hergestellt werden. Damit einhergehend sollten Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen werden.

Menschen demonstrieren mit Bannern

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Restitution

Restitution – Die Frage nach den „offenen Vermögenswerten“

Neben der Entschädigung und Rehabilitierung von Opfern wurde – bedingt durch den Systemwechsel – auch über die Frage von Eigentum und „offenen Vermögenswerten“ bereits Ende des Jahres 1989 sowohl in Ost als auch in West diskutiert. Tausende DDR-Bürgerinnen und -Bürger waren im Rahmen der sozialistischen Umwälzung der Besitzverhältnisse von der Verstaatlichung und Enteignungen betroffen gewesen. Hinzu kamen NS-Verfolgte, denen Vermögenswerte von der DDR nicht zurückgegeben bzw. erstattet worden waren. Oftmals waren diese Werte ebenfalls dem „Volksvermögen“ zugeschlagen worden. Außerdem gab es zahlreiche Menschen, denen im Zuge politischer Verfolgung ihr Eigentum entzogen worden war. Auch vielen der rund 3,5 Millionen Deutschen, die zwischen 1945 und 1990 die DDR bzw. die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) verlassen hatten, war ihr Eigentum entzogen worden. Der Grundbesitz oder die Immobilien waren dann mitunter anderen Personen zur Nutzung übertragen worden.

Schon im Dezember 1989 vereinbarte Bundeskanzler Helmut Kohl daher mit dem DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow die Einsetzung einer gesamtdeutschen Arbeitsgruppe, um eine einvernehmliche Regelung der offenen Vermögensfragen zu erreichen. Diese nahm allerdings erst im Februar 1990 ihre Verhandlungen auf und erarbeitete konkrete Überlegungen erst nach den Volkskammerwahlen im März 1990.

Mit Jahresbeginn 1990 verschärfte sich die Situation bezüglich der Frage offener Vermögenswerte. Viele Alteigentümerinnen und -eigentümer sahen den Augenblick gekommen, an dem sie die Rückgabe ihres Eigentums fordern konnten. So erhielten Behörden und Privatleute in der DDR regelmäßig von ehemaligen Eigentümerinnen und Eigentümern aus dem Westen Anfragen und Forderungen nach Rückgabe von Häusern, Grundstücken oder Betrieben. Diese Ausgangslage führte zu großen Verunsicherungen in der Bevölkerung der DDR. Bei vielen DDR-Bürgerinnen und -Bürgern breitete sich Angst vor dem Verlust des eigenen Hauses aus. Genossenschaftsbäuerinnen und -bauern fürchteten die Ansprüche der Alteigentümerinnen und -eigentümer auf ihr Land.

In dieser Situation setzten sich unterschiedliche Gruppierungen und Parteien vom Zentralen Runden Tisch zusammen mit der Regierung Modrow gegen Ansprüche ehemaliger Eigentümerinnen und Eigentümer aus der Bundesrepublik ein. Das Bundesfinanzministerium forderte Ende Januar parallel, das staatliche Eigentum in der DDR zu privatisieren. Nur so könne die Wirtschaft stabilisiert werden und eine „Währungsunion“ umgesetzt werden, in der die D-Mark Zahlungsmittel der Ostdeutschen werden könnte. Diese Privatisierungskonzepte lehnte die Regierung Modrow zunächst ebenso ab.

Auch die anderen Bürgerrechtsgruppen am Zentralen Runden Tisch wie Demokratie Jetzt (DJ) oder die Vereinigte Linke (VL), die für die DDR einen „dritten Weg“ jenseits von Kapitalismus und Staatssozialismus favorisierten, wollten einer Privatisierung nur zustimmen, wenn diese mit einem „sozialen Absicherungsprogramm“ gekoppelt sei. Sie befürchteten einen „Ausverkauf“ von Grund und Boden der DDR an westliche Interessenten. So plädierte Wolfgang Ullmann (DJ) am 12. Februar 1990 am Runden Tisch dafür, insbesondere das Eigentum von Grund und Boden vor einer Privatisierung und erneuten Enteignungen zu sichern.

Diskussion in der Pause

Auch am Zentralen Runden Tisch wurde die Frage von Eigentum diskutiert.

Bereits am 3. Januar 1990 hatten die Vertreterinnen und Vertreter des Zentralen Runden Tisches auf Antrag der AG Wirtschaft mehrheitlich beschlossen, dass der Grund und Boden der DDR aller Eigentumsformen nicht an Ausländer verkauft werden dürfe. Am 19. Februar 1990 beauftragte der Zentrale Runde Tisch außerdem die Regierung Modrow, in den beginnenden Verhandlungen zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion „die Eigentumsrechte von Bürgern der DDR an Grund, Boden und Gebäuden zu gewährleisten“.

Insgesamt waren sich die Vertreterinnen und Vertreter des Zentralen Runden Tisches in der Sitzung am 19. Februar einig, dass die Ergebnisse der Bodenreform nach 1945 anerkannt werden sollten. Auch wenn es zu diesem Thema unterschiedliche Vorlagen von den Gruppierungen gab, näherten sie sich in den meisten Punkten an. Die CDU warb beispielsweise für die „Anerkennung der Bodenreform und der darauf begründeten Eigentumsverhältnisse auf rechtsstaatlicher Grundlage“. Der Zusatz „auf rechtstaatlicher Grundlage“ ließ zumindest einen Ausgleich für Opfer von Enteignungen offen.

Die Blockpartei National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) brachte am 26. Februar 1990 eine Vorlage mit dem Titel „Rechtssicherheit von Eigentümern und Nutzern volkseigener bzw. in staatlicher Verwaltung stehender Grundstücke“ am Zentralen Runden Tisch ein. In dieser Vorlage vertrat die NDPD die Ansicht, dass Grundstücke und Vermögenswerte durch das bestehende Rechtssystem, insbesondere die Verfassung, geschützt seien und daher Ansprüche von ehemaligen Eigentümerinnen und Eigentürmern, die Nicht-DDR-Bürgerinnen und -Bürgern seien, grundsätzlich nicht möglich wären.

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Die Interessen der Enteignungsopfer wurden in den Vorlagen meist nicht berücksichtigt. Erst im Antrag der SPD mit dem Titel „Gesetz über die Privatisierung staatlichen Vermögens zugunsten der Bürger der DDR“, der ebenfalls am 26. Februar 1990 am Runden Tisch eingebracht wurde, wurde u. a. auf die Rechte Dritter hingewiesen: „Fremde Rechte an genannten Vermögen sind von neuen Eigentümern zu beachten, sofern sie auf einer ethisch oder rechtlich gültigen Grundlage stehen.“ Dies gelte „für alle auf jetzt geltendem Recht beruhenden oder sich aus noch zu erlassenden Gesetzen herleitenden Eigentums- und Entschädigungsansprüchen für Handlungen des Staates auf dem Gebiet der heutigen DDR in der Zeit von 1933 bis 1989“. Dadurch wurden auch explizit Opfer von Enteignungen in der Zeit des Nationalsozialismus anerkannt. Allerdings wurde auch hier festgelegt, dass die Bodenreform aufrechterhalten werden sollte und damit nicht „Gegenstand von Eigentums- und Entschädigungsansprüchen“ sein könnte.

Insgesamt zeigte sich am Zentralen Runden Tisch, dass die Opfer der Enteignungen im Nationalsozialismus grundsätzlich anerkannt werden sollten. So hatte im Rahmen der Debatte um das Parteienvermögen am 18. Januar 1990 Konrad Weiß (DJ) bereits darauf aufmerksam gemacht, dass sich im Besitz der SED und der anderen Parteien auch Vermögen bzw. Grundstücksvermögens aus dem sogenannten „arisierten Eigentum unserer jüdischen Mitbürger“ befänden. Zur „Aufarbeitung unserer Geschichte“ gehöre es dazu, diese Eigentumsverhältnisse aufzudecken und ggf. nach den berechtigten Erben, die u. a. im Ausland leben würden, zu forschen. Die Opfer sozialistischer Enteignungen während der Bodenreform von 1945 bis 1949 sollten hingegen von Eigentums- und Entschädigungsansprüchen ausgenommen werden, und die Ergebnisse der Bodenreform sollten unangetastet bleiben, obwohl die meisten Parteien und Gruppierungen ein Ende der sozialistischen Eigentumsordnung befürworteten.

Abstimmung beim Zentralen Runden Tisch

Die Vertreter der SPD brachten am 26. Februar 1990 einen Antrag mit dem Titel „Gesetz über die Privatisierung staatlichen Vermögens zugunsten der Bürger der DDR“ am Zentralen Runden Tisch ein.

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Auch im Verfassungsentwurf der AG „Verfassung“ des Zentralen Runden Tisches, der im April 1990 veröffentlicht wurde, wurden in Artikel 133 die Ergebnisse der Bodenreform der Nachkriegszeit als unantastbar erklärt. Zudem wurde festgelegt, dass Enteignungen von Vermögenswerten, die Bürgerinnen und Bürger in der DDR zurückgelassen und die in Übereinstimmungen mit dem Recht der DDR erfolgt waren, wirksam bleiben sollten. Die aktuellen Nutzerinnen und Nutzer sollten dann das Recht haben, Eigentum daran zu erwerben. Nur wenn DDR-Recht verletzt worden war, sollte es auf Antrag das Recht auf Rückerstattung geben. In Fällen von Wohnungen, Erholungsstätten sowie Eigentum, das „in die Verfügung von Genossenschaften und volkseigenen Unternehmen“ übergegangen war, konnte der Enteignete nur Entschädigungen erhalten, und es sollte keine Rückerstattung geben.

Auch der Ministerrat der Regierung Modrow wandte sich am 1. März 1990 an die Bundesrepublik und die Sowjetunion mit einer Erklärung, in der gefordert wurde, die Eigentumsverhältnisse als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges nicht anzutasten. Das Volkseigentum habe seine Wurzeln im Potsdamer Abkommen mit der Zielrichtung der Entmilitarisierung und Entnazifizierung in Deutschland sowie der Bestrafung der Kriegsverbrecher. Die Bodenreformen wären daher voll und ganz innerhalb der Zielrichtung des Potsdamer Abkommen gewesen.

Mit dem Sieg der „Allianz für Deutschland“ nach den Volkskammerwahlen im März 1990 wurde das „Volkseigentum“ schließlich einer Privatisierung unterzogen. Volkseigene Betriebe und Einrichtungen wurden mit Hilfe der Treuhand in Kapitalgesellschaften umgewandelt. Allerdings wollte auch die Regierung de Maizière mit den Koalitionspartnern die Ergebnisse der Bodenreform in Zukunft sichern. Unrechtmäßige Enteignungen nach 1949 sollten überprüft und entschädigt werden. Eine Rückgabe von entzogenem Eigentum, ein Prinzip, welches die Bundesregierung favorisierte, war zunächst von DDR-Seite nicht vorgesehen.

Die Machenschaften der Kommerzielle Koordinierung

Die Machenschaften der Kommerziellen Koordinierung („KoKo“)

Im Dezember 1989 überschlugen sich die Meldungen über Amtsmissbrauch und Korruption der Parteifunktionäre. Die Nachrichten über das luxuriöse Leben der SED-Regierung in der Wandlitz-Siedlung schafften zusätzlich Empörung. Die „Berliner Zeitung“ hatte zudem am 22. November 1989 die Machenschaften der Abteilung Kommerziellen Koordinierung, kurz „KoKo“, im DDR-Außenhandelsministerium enthüllt. Die Zeitung berichtete u. a., dass die „KoKo“ nicht dem Außenhandel, sondern direkt dem ZK der SED unterstellt gewesen war. Die Kommerzielle Koordinierung hatte die Aufgabe, abseits der offiziellen, legalen Möglichkeiten des Außenhandels Devisen aus dem Westen zu erwirtschaften. Sie war 1967 gegründet worden. Die Devisen wanderten allerdings nicht in den Staatshaushalt, sondern direkt an die SED oder die Staatssicherheit. Der Leiter der „KoKo“ Alexander Schalck-Golodkowski steuerte dabei ein Netz von illegalen SED-Tarnfirmen in Westeuropa.

Die DDR-Öffentlichkeit wusste bis zum Herbst 1989 nichts davon, da die Tätigkeit der „KoKo“ strenger Geheimhaltung unterlag. Als die Machenschaften der „KoKo“ rund um den Leiter Alexander Schalck-Golodkowski im Dezember 1989 bekannt wurden, und dieser Anfang Dezember 1989 gemeinsam mit seiner Frau nach West-Berlin floh, hatte die Außenhandelskauffrau Birgit Teschke von Demokratie Jetzt (DJ) die Idee, eine zivile Untersuchungskommission zu gründen, um die Vorfälle zu untersuchen und Vermögen zu sichern.

Drei Männer mit Ferngläsern vor einem Haus

Bürger versuchen am 12. Dezember 1989 einen Blick auf das gesperrte Anwesen von Erich Honecker zu werfen. Das Staatsjagdgebiet am Müritzsee wurde zum Privatjagdgelände des Ministerpräsidenten der DDR umfunktioniert. Das rund 11.500 Hektar umfassenden Areal ziert ein luxuriöses Jagdhaus nebst Wachgebäuden.

Am 4. Dezember 1989 gründete sich daher im Beisein einiger Vertreterinnen und Vertreter des Neuen Forums (NF) und der Demokratie Jetzt (DJ) eine zivilgesellschaftliche „Unabhängige Untersuchungskommission zur Aufdeckung von Amtsmissbrauch, Korruption und persönlicher Bereicherung“. Die Untersuchungskommission kam daraufhin ins Gespräch mit Ministerpräsident Hans Modrow, erhielt jedoch keine besonderen Befugnisse, um die Arbeit der Untersuchungskommission sachgerecht vollziehen zu können.

Der Zentrale Runde Tisch schaffte es jedoch diese Untersuchungskommission in ihrer Sitzung am 7. Dezember 1989 zu unterstützen, in dem diese Untersuchungskommission in der Erklärung des Runden Tisches „Zur Rechtsstaatlichkeit“ Erwähnung fand. Gregor Gysi von der SED sprach sich zunächst gegen eine weitere unabhängige Untersuchungskommission aus, da bereits Untersuchungskommissionen auf staatlicher Ebene gebildet worden seien. Rolf Heinrich vom Neuen Forum (NF) assistierte hingegen ein Versagen der Staatsanwaltschaft insbesondere in Sachen Schalck-Golodkowski und äußerte die Meinung, dass der Zentrale Runde Tisch dafür sorgen müsse, dass diese Organe tätig werden und das bestehende Recht angewendet werde. Reinhard Schult (NF) forderte, dass die Regierung Modrow diese unabhängige Untersuchungskommission anerkennen und die Zusammenarbeit mit dieser Untersuchungskommission vom Ministerrat auch gesucht und getätigt werden sollte. Der Zentrale Runde Tisch konnte sich schließlich auf folgende Formulierung in der Erklärung „Zur Rechtsstaatlichkeit“ einigen: „Die Staatsanwaltschaft wird aufgefordert, mit der am 4. Dezember 1989 gebildeten unabhängigen Untersuchungskommission wirksam zusammenzuarbeiten.“

Die Regierung Modrow beschloss bereits am 11. Dezember 1990 die Bildung einer „Zeitweiligen Untersuchungsabteilung für die Prüfung von Amtsmissbrauch und Korruption“ beim Ministerrat. Am 14. Dezember 1989 wurde außerdem eine Sonderkommission des Ministerrates zur Untersuchung von Amtsmissbrauch und Korruption im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Bereiches Kommerzielle Koordinierung gebildet.

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Die „Unabhängige Untersuchungskommission zur Aufdeckung von Amtsmissbrauch, Korruption und persönlicher Bereicherung“ wurde nach Bildung dieser Sonderkommission, die sich speziell mit der Aufklärung der „KoKo“ befasste, aus diesem Bereich weitgehend zurückgedrängt. Die unabhängige Untersuchungskommission konnte aber zumindest mit der „Zeitweiligen Untersuchungsabteilung für die Prüfung von Amtsmissbrauch und Korruption“, die durch den Ministerrat gebildet wurde, zusammenarbeiten und u. a. auf das Parteienvermögen der SED-PDS aufmerksam machen. Am 18. Januar 1990 informierte die Kommission den Zentralen Runden Tisch darüber, dass die SED-PDS noch immer an Privilegien festhielte. Gestützt durch die Regierung Modrow würde die SED-PDS weiterhin Gelder für das Parteivermögen beispielsweise durch das Betreiben von Ferienheimen und Gästehäusern erwirtschaften. Ermittlungen in diese Richtung würden verhindert und Vorschläge zur Aufklärung dieser Geschäfte weder von der Volkskammer noch von der Regierung Modrow aufgegriffen.

„Bis jetzt haben wir keine Unterlagen über den Besitz der SED, keine Kenntnisse über die Revision aller Konten des Bereichs Kommerzielle Koordinierung. […] Der Demokratieanspruch der SED und der anderen alten Parteien wird sich daran messen lassen, ob diese Parteien bereit sind, ihre Vermögensverhältnisse öffentlich und nachprüfbar zu machen“, so die Untersuchungskommission in ihrer Information an den Runden Tisch, die von diesem einstimmig angenommen wurde.

Rolf Henrich von Neuen Forum (NF) machte in der darauffolgenden Debatte den Vorschlag, alle ab 7. Oktober 1989 erfolgten Verkäufe der Parteien auf ihre Rechtmäßigkeit durch eine Kommission zu überprüfen. Zu einer gesetzlichen Regelung und Überprüfung des Parteienvermögens kam es aber dann erst nach den ersten freien Wahlen in der Volkskammer im Mai 1990.

Schilder von Unternehmen an einem Zaun

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Die „Sonderkommission des Ministerrates zur Untersuchung von Amtsmißbrauch und Korruption im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Bereiches Kommerzielle Koordinierung“ der Regierung Modrow nahm unter Leitung von Willi Lindemann am 21. Dezember 1989 ihre Arbeit auf. Ziel der Kommission war es, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Bereich „KoKo“ fachlich zu unterstützen. Die Kommission erstatte am 12. März 1990 in der letzten Sitzung des Zentralen Runden Tisches über die Untersuchungen zur „KoKo“ Bericht. Im Ergebnis empfahl die Sonderkommission den Bereich Kommerzielle Koordinierung aufzulösen:

„Insgesamt kann daher festgehalten werden, daß mit

  • der Auflösung des Bereiches Kommerzielle Koordinierung,
  • der Liquidation einzelner Firmen sowie
  • der Reorganisation der übrigen Firmen unter einem neuzubildenden Unternehmensverband

dauerhaft gewährleistet ist, daß die mit dem Bereich Kommerzielle Koordinierung verbundenen ökonomischen und politischen Machtstrukturen zerschlagen sind und ihre Restauration nicht möglich ist.“

Die Sonderkommission schloss kurz darauf ihre Arbeit ab, und der Ministerrat der Regierung Modrow fasste daraufhin den Beschluss, den Bereich Kommerzielle Koordinierung zum 31. März 1990 aufzulösen. Zugleich wurde die Gründung der Berliner Handels- und Finanzierungsgesellschaft mbH (BHFG) beschlossen, die das neue Dach für die früheren Unternehmen des Bereichs bilden sollte. Die volkseigenen Anteile der BHFG sollten ihrerseits von der mittlerweile ins Leben gerufenen „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volksvermögens“ verwaltet werden.

Alexander Schalck-Golodkowski, der von der Regierung Modrow zur Fahndung ausgeschrieben war, befand sich zu dieser Zeit im bayerischen „Exil“. Nach der deutschen Einheit musste er sich parlamentarischen Untersuchungsausschüssen auf Bundes- und Landesebene stellen. Es liefen zudem Dutzende Ermittlungsverfahren gegen ihn, zwei davon führten auch zu Verurteilungen mit Bewährungsstrafen. Eine schwere Krebserkrankung machte ihn schließlich verhandlungsunfähig.

Porträt von Alexander Schalck-Golodkowski

Alexander Schalck-Golodkowski musste sich nach der deutschen Einheit mehreren parlamentarischen Untersuchungsausschüssen stellen.

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